Die dumpfe, lieblose Stimme durchbricht die idyllische Stille im Wald:
„Was macht es denn?“
Erschrocken seh ich mich um.
Nicht erschreckt wegen der falschen Verwendung von Personalpronomen …
Ja, ich bin eine grammatikalische Pfeife, aber mit Personalpronomen kenne ich mich aus.
Ich kenne sie alle!
Ich, du, er, sie, es, wir, ihr, sie.
Da macht mir keiner was vor!
… sondern weil der mich so ohne Vorankündigung von der Seite anquatscht.
Aber da ist weit und breit keiner.
Ob das eine späte Nebenwirkung des Psilocybin ist?
Dass sich das nach 10 Jahren erst bemerkbar macht?
Hätte ich wohl besser die Finger von diesen Pilzen gelassen, denke ich mir.
Mein Gedankengang wird erneut von dieser Stimme unterbrochen.
„Was hat es da in der Hand?“
„Wer ist denn da?“ rufe ich in den Wald.
Nichts.
Stille.
„Bernd.“
Meint die stumpfe Stimme.
„Bernd? Ich kenne keinen Bernd.“
Ich überlege kurz, ob ich wirklich keinen Bernd kenne.
Obwohl, wenn man im Wald angequatscht wird, bedeutet das ja auch nicht zwangsläufig, dass es auch jemand sein muss, den man kennt.
„Komm raus und zeig dich!“ ruf ich in die Richtung aus der die Stimme kam.
Nichts.
Stille.
„Das geht nicht.“
„Warum geht das nicht?“
„Ich kann mich nicht bewegen.“ ich meine einen leicht weinerlichen Unterton darin zu hören.
„Was heisst das, dass du dich nicht bewegen kannst? Hast du dich verletzt? Soll ich Hilfe rufen?“
Ich male mir aus, was hätte passiert sein können.
Ist er gestürzt und hat sich dabei ein Bein ausgerissen?
Wurde er von einem Bären angegriffen?
Hat der ihm ein Bein ausgerissen?
Oder wurde er von einem wilden Bienenschwarm durch den Wald gejagt?
Und können Bienen Beine ausreissen?
Eine einzelne wohl nicht, aber im Kollektiv?
„Nein ich brauch keine Hilfe. Mir geht’s eigentlich ganz gut soweit.“
„Kein ausgerissenes Bein?“
Erst nachdem das raus ist merke ich, dass meine Enttäuschung wohl nicht wirklich angebracht ist.
„Warum kommst du dann nicht vor und zeigst dich?“
„Ich steht doch schon vor dir.“
Jetzt reichts.
Ich gehe gerade aus um den Baum herum, um hinter diesen zu sehen.
Denn der Kerl steckt garantiert da hinten.
Ich hör doch wo die Stimme herkommt.
Dreimal renne ich um den Baum.
Da ist keiner.
„Bernd“, sag ich. „Ich stehe nicht auf dieses Versteckspiel. Ich gehe jetzt. Schönes Leben noch.“
„Warum geht es denn? Ich wollte doch nur ein bisschen reden. Hier kommt man so selten zum Reden.“
Ich überlege kurz.
Zeit hätte ich ja.
Ausser Pokémon suchen tu ich ja gerade nichts.
„Na schön. Lass uns bisschen quatschen. Aber nur unter einer Bedingung. Zeig dich!“
Nichts.
Stille.
„Aber es sieht mich doch. Ich bin das Baum an das es sich anlehnt. ..und kann es das lassen? Das ist mir zu intim.“
„Du bist ein Baum?“
„Ja. Eine Birke.“
„Und du heisst Bernd?“
„Ja.“
„Das muss einfach von den Pilzen kommen.“
„Welche Pilze? Ich habe keine Pilze.“
Ich erspare es mir, meiner Halluzination zu erörtern, dass sie eine Halluzination ist und nutze die Gelegenheit einfach um mich mit einem Baum zu unterhalten.
„Und was machst du hier so?“
„Och.. ich steh hier nur rum, zieh mir CO2 rein und sonne mich n bisschen.“
„Ok. Cool.“
Das spannende Leben eines Baumes.
„Und was macht es hier? Und was hat es da in der Hand?“
„Das heisst eigentlich du.“ belehre ich ihn wie mein ehemaliger Deutschlehrer das gerne mit mir tat.
„Du?“
„Ja, du.“
„Gut. Was macht es hier und was hat es du in der Hand?“
„Nein doch nicht so!“
„So habe ich doch gar nicht gesagt.“
„Ich meinte ja auch nicht so als Wort. ..ach vergiss es einfach.“
Und wieder fühle ich mich wie mein ehemaliger Deutschlehrer.
„Und was hat es jetzt du in der Hand?“ will Bernd weiterhin wissen.
Bernd ist übrigens ein komischer Name für einen Baum.
„Was hat es gegen Bernd?“
„Kannst du jetzt auch schon Gedanken lesen?!“
„Sieht so aus.“
„Weisst du was, das wird mir hier langsam zu dumm. Ich wollte doch nur im Wald ein paar Pokémon fangen. Und jetzt stehe ich hier und unterhalte mich mit einer Eiche.“
„Birke.“
„Na dann unterhalte ich mich eben mit einer Birke. Bernd, die Birke.“
„Was ist Poggemohn?“
„Das sind kleine Monster. Die sind hier überall irgendwo verteilt zum einfangen.“
„Kleine Monster? ..du meinst Ameisen?“
„Nein.“
„Wespen?“
„Nein.“
„Borkenkäfer?“
„Nein. Pokémon sind keine echten Tiere.“
„Hier gibt’s unechte Tiere?“
„Ja, Nein, nicht in Wirklichkeit unechte Tiere.“
„Es sammelt in Unwirklichkeit unechte Tiere?“
„Ja, so kann man das auch nennen.“
Bernd beginnt zu lachen.
„Warum lachst du denn jetzt? Weil ich dieses Spiel spiele? Das ist nur ein Spiel. ..dass ich mich mit einem Baum unterhalte finde ich ehrlich gesagt um einiges lächerlicher.“
„Warum? Mit einem Baum zu reden ist doch normal.“