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Das Leben und Ben

#19 Wie ein richtig befreiender Rülpser

„Also, ihr kennt euch ja aus. Es läuft wie folgt … „

Eigentlich wollten wir unten nur kurz eine Limo trinken und danach bisschen Skaten. Aber jetzt sitzen wir im Büro von Onkel Jan, weil er irgendwas bequatschen will.

„Jungs, ich habe eine Bitte an euch.“ Jasa und ich schauen ihn fragend an. „Ihr habt mitbekommen, dass Mauro seit ein paar Tagen unauffindbar ist.“ Er zeichnet diese komischen Anführungszeichen in die Luft. „Was ist mit Mauro?“ will Jasa wissen. Onkel Jan winkt ab. „Wissen wir nicht … Hört zu Jungs, ihr wisst doch was Mauros Job war … ich will hier nicht um den heissen Brei reden. Habt ihr bock seinen Job zu übernehmen und bisschen Geld zu verdienen?“ „Klar!“ Jasa scheint nicht eine Sekunde nachgedacht zu haben, so schnell kam seine Zusage rausgeschossen. Onkel Jan lächelt ihm zu. „Und was ist mit dir Ben?“ „Ich meine ja … grundsätzlich … aber ich kenne ja die genauen Bedingungen nicht … wie schaut denn das aus? Ist das auf Abruf oder ist das fest terminiert? Was bekommen wir denn? Ich meine wieviel für was?“ Onkel Jan grinst. „Ich sehe schon, du beobachtest alles ganz genau. Nachschub geht auf Abruf raus. Ihr kriegt 3% jeder.“ „5 für jeden und ich bin dabei.“ „Du weisst schon, dass nicht mal Mauro 5% hatte?“ „Ich bin nicht Mauro. Und du weisst, dass wir bis jetzt immer sehr zuverlässig waren.“ Onkel Jan kramt einen Taschenrechner aus einer Schublade und tippt darauf rum. „4% kann ich euch geben.“ Sagt er, während er auf seiner Unterlippe rumkaut. „4% ist ok. Eine Bedingung hätte ich aber noch.“ „Was willst du denn noch?“ „Ich möchte jederzeit aufhören damit, wenn ich das nicht mehr machen möchte.“ Onkel Jan schaut mich mit ernster Mine an. „Ihr seid doch meine Jungs. Was denkst du, was ich mit euch vor habe?“ „Ich weiss doch wie das hier läuft. Wenn die Jungs erst mal aufgenommen sind, kommen die nicht mehr so einfach raus aus dem Klub.“ Onkel Jan kommt auf mich zu, legt seine rechte Hand in meinen Nacken und zieht mich ganz nah an sich ran. „Ben, ihr seid noch viel zu jung, als dass wir euch als Vollmitglieder in den Klub aufnehmen würden. Du bist Familie. Blut. Nicht Klub-Familie. Du wirst nie dem Klub beitreten müssen. Verstehst du?“ Ich nicke. Er lässt mich wieder los. Onkel Jan geht wieder an seinen Bürotisch zurück und setzt sich. „Und? Macht ihr es?“ „Die Bedingungen sind ok?“ will ich von ihm wissen. Er nickt. „Na dann steht nichts im Weg.“ Onkel Jan lächelt. „Gut. Kommt mit. Wir gehen zu Mirco. Der erklärt euch die Details.“ Er steht auf und wir gehen ihm nach. Die Treppe nach unten in eines der Hinterzimmer. Ich kenne das Zimmer. Eigentlich kenne ich wohl jeden Winkel in diesem Haus. Wie oft wir nur schon Verstecken hier gespielt haben als wir noch klein waren. „Mirco, die Jungs übernehmen für Mauro. Zeig ihnen was sie wissen müssen.“ Mirco nickt ihm zu. „Dann wollen wir mal. Mirco kramt einen Stadtplan und einen Kugelschreiber aus einer Tasche. „Also, ihr kennt euch ja aus. Es läuft wie folgt … „ Mirco erklärt uns ausführlich wer, was, wo vertreibt. Alle haben ihr kleines Depot in ihrem Gebiet. Die haben alle eine Nummer. Wir müssen die entsprechende Lieferung an die entsprechende Stelle bringen und bei Mirco verbuchen lassen nach dem Deponieren. Eigentlich voll simpel, wenn die Zahlenkombinationen nicht so unlogisch verteilt worden wären. Aber egal. Kriegen wir schon hin. „Habt ihr das verstanden? Ich kann es sonst nochmal erklären, wenn ihr wollt.“ Mirco schaut uns fragend an. „Nö passt schon. Habens kapiert.“ „Gut. Ich habe nämlich auch schon die ersten Päckchen für euch.“ Er hievt eine Sporttasche auf den Tisch und öffnet den Reissverschluss. Er holt 6, in Packpapier gewickelte Rollen raus. Mit einen Marker schreibt er den Bestimmungsort drauf. BZ237, AL112 und BR93. Er schiebt sie über den Tisch zu uns. „Ihr wisst wo hin?“ Jasa schaut mich an. Ich nicke. „Seht zu, dass die vor 18.00 Uhr da sind.“ „Alles klar.“ Ich packe 4 Rollen in meinen Rucksack, Jasa die restlichen beiden. Wir wollen gerade rausgehen, als Mirco uns stoppt. „Ach Jung.. egal was auch ist, ihr drückt das Zeug niemandem in die Hand. Unter keinen Umständen. Immer ins Depot. Wenn das nicht geht, bringt ihr mir das Zeug wieder. Verstanden? Das ist wichtig.“ Jasa nickt. „Verstanden.“

Wir brauchten keine ganze Stunde um die 3 Depots abzufahren. Direkt danach traben wir wieder bei Mirco an. „Alles ok bei euch?“ Mirco sieht und verblüfft an. „Jap, alles bestens. Alle Pakete zugestellt.“ „Ihr hattet es wohl eilig?“ Mirco grinst. „Ja, wir wollten ja eigentlich Skaten gehen.“ Jasa hält ihm provokativ sein Board vors Gesicht. „Alles klar. Könnt ihr ja gleich.“ Mirco lacht. „Wartet kurz. Ich hole euer Geld.“ Mirco verschwindet durch die Türe. „Jasa, ist das ok was wir hier machen? Ich bin mir da nicht so sicher…“ Jasa legt mir einen Arm auf die Schultern. „Nein Bratan. Aber auf dieser Welt ist vieles nicht ok … ist es ok, dass wir so in diese Welt gekotzt wurden? … wir überleben doch nur irgendwie. Und wenn wir das nicht machen, macht es doch irgendein Anderer.“ Klingt für mich in diesem Moment sehr plausibel. „Hast wohl recht.“ „Aber hey, kein Wort zu Edona. Die killt uns!“ Ich nicke. Mirco kommt wieder rein ins Zimmer und hat 2 Bündel Geld in der Hand. „Euer Anteil Jungs. Haut nicht gleich alles auf den Kopf.“ Er grinst uns zu, während er uns das Geld entgegenstreckt. Ich schaue mir das Geldbündel an. Das ist meins? Ich weiss nicht, wie man dieses Gefühl nennt. Es fühlt sich gut an, aber irgendwie auch nicht so richtig. Wie ein richtig befreiender Rülpser. Entspannend, aber da kam noch ein bisschen Magensäure aufgestossen. Irgendwie so.. Fuck it! Ich weiss, dass ich die nächsten Tage was essen kann. Jasa klopft mir auf die Schulter. „Los! Ab zur ETH!“ Er lacht. Ich schnapp mein Board, meinen Rucksack und wir gehen raus in Richtung Bushaltestelle.

Von wotsefak

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