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Das Leben und Ben

#27 So ein Zuckerwasserkuchen

„Ich hab lust auf was Süsses.“

Edona und ich sitzen am Limmatufer. Sie liest eine Zeitschrift und ich male auf meinem Zeichenblock rum.

„Dann lass uns was holen … Kiosk?“ frag ich sie. „Nein. Eher was kuchiges oder so.“ „Wir könnten Baklava holen bei Esra.“ „Oh ja! Baklava!“ Edona springt freudig auf. „Komm schon Ben.“ sie hüpft ungeduldig vor mir rum. Ich muss lachen. „Ich komm ja schon.“

Ich verstaue meine Malsachen im Rucksack und wir gehen los, in Richtung Niederdorf.

Auf der Höhe vom Platzspitz bleibt Edona stehen und hält mich am Arm fest. „Warte mal Ben … siehst du das Mädchen da?“ Ich drehe meinen Kopf in Richtung Park.

Ich mag diesen Park nicht. Da gibt es voll viele Junkies. Das sind komische Menschen und ein paar von denen machen mir bisschen Angst. Darum schaue ich eigentlich nie in den Park, wenn ich da vorbeikomme.

„Ja, seh ich … meinst du, sie hat sich verlaufen oder so?“ Edona zuckt mit den Schultern. „Fragen wir sie doch einfach mal.“ Edona nimmt meine Hand und wir gehen rüber zu dem Mädchen.

„Hey… hast du dich verlaufen?“ Das Mädchen sieht uns fragend an. „Nein.“ „Okay… und was machst du dann hier?“ fragt Edona. „Ich warte auf meine Mama.“ antwortet ihr das Mädchen. „Deine Mama lässt dich hier vor dem Park warten? … ihr seid wohl nicht von hier. Dann wüsste sie, dass sie dich nicht ausgerechnet vor diesem Park alleine warten lassen sollte.“ sag ich ihr. Das Mädchen blickt auf den Boden und ihre Stimme wird leiser. „Meine Mama ist da drin.“

„Oh man… tut mir leid… das wusste ich nicht.“ entschuldige ich mich.

Edona unterbricht die Stille. „Ich bin Edona … der Vogel hier heisst Ben. Und wie heisst du?“ Edona schubst mich leicht und lacht. Das Mädchen lächelt auch. „Ich heisse Isabelle.“ „Und wie alt bist du?“ fragt Edona weiter. „Ich bin 11… und ihr?“

„Ich bin auch bald 11.“ antwortet Edona. „Ich bin schon 11.“ sag ich und gebe Edona den Schubser von eben grinsend zurück.

„Hey, wir waren eigentlich gerade auf dem Weg um uns Baklava zu holen. Magst mitkommen?“ Isabelle sieht mich fragend an. „Was ist Baklava?“ „hmm… Zuckerwasserkuchen.“ „Zuckerwasserkuchen?“ sie sieht uns verwundert an. „Jap… Zuckerwasserkuchen passt.“ meint Edona nickend. „Das klingt interessant … aber ich kann hier nicht weg. Wenn meine Mama wieder kommt und ich nicht da bin, ist das nicht gut.“ Sie sieht betrübt auf den Boden.

„Weisst du was. Wir bringen dir einfach welches mit.“ Isabelles Blick wandert wieder hoch und sie lächelt uns an. „Danke.“ „Ach, kein Ding. Bis gleich … komm Ben.“

Wir gehen los und holen unser Baklava bei Esra. Seine Frau und er haben eine kleine Imbissbude im Niederdorf. Esra ist ein Freund von Onkel Jan. Wir gehen öfter mal bei ihnen essen. Sie sind immer voll nett und wenn wir ohne Onkel Jan da sind, müssen wir meistens viel weniger bis gar nicht bezahlen. Esra ist auch sowas wie ein Onkel oder so.

Ausgerüstet mit Baklava gehen wir zurück zum Platzspitz.

„Wo ist sie denn hin?“ Edona und ich sehen uns um. Weit und breit keine Isabelle zu sehen. „Vielleicht ist sie im Park.“ meint Edona. „Vielleicht… aber ich will da nicht rein.“ „Ich auch nicht.“

Wir sehen uns noch ein paar Minuten um und warten, ob sie nicht doch noch plötzlich wieder auftaucht.

„Komm Ben.“

Wir spazieren zum Bahnhof und setzen uns auf eine Bank.

Edona öffnet die kleine Kartonschachtel und nimmt ein Stück raus. „Schade… jetzt weiss sie noch immer nicht, wie lecker Zuckerwasserkuchen ist.“ sie grinst. Ich greife auch in die Box. „Sie tut mir leid.“ „Wegen dem Baklava?“ „Nein. Wegen ihrer Mutter.“ Ich sehe Edona an, dass sie nachdenkt. „Ben… Wenn wir gross sind… lass uns niemals so werden.“ „Versprochen.“

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#26 Partygewürz

Es sind Sommerferien. Bald beginnt unser letztes Schuljahr. Aber das ist gerade nicht so wichtig. Wir spazieren durch die Stadt nach Hause. Der Himmel wird langsam heller. Bald wird die Sonne aufgehen.

Es ist angenehm kühl.

„Warte kurz.“ sag ich zu Jasa und bleibe stehen. Ich ziehe meinen Rucksack von der Schulter.

„Was suchst du denn?“ will er von mir wissen.

„Meine Coke … ich hätte schwören können, ich hab da noch eine.“ Ich finde sie nicht, schliesse meinen Rucksack wieder, hänge ihn über die Schulter und wir gehen weiter.

„Das war ne ziemlich gute Party.“ meint Jasa grinsend.

„Ja, die war super!“

Er legt seinen Arm über meine Schultern und wir schlendern weiter.

„So stelle ich mir den Himmel vor.“

Wir müssen beide lachen.

Sevi, so ein Typ, dem wir vor einem Club mal was angedreht hatten, hat uns zu einer privaten Pool Party eingeladen. Wir zwei waren quasi für das Gewürz zuständig.

Ich gehe schwer davon aus, dass er uns ohne unsere Liefereigenschaften bestimmt nicht eingeladen hätte.

Die waren da alle älter als wir. Vielleicht so 18 bis 20 Jahre alt? Ich weiss es nicht genau. Ein paar davon sind im Gymnasium und ein paar Studenten waren auch da. Vielleicht so um die 30, 40 Leute. Hab sie nicht gezählt. Die Hütte war jedenfalls gut gefüllt. Und die Leute auch.

Es hatte ein paar echt tolle Mädels da. Und ein paar fanden es glaube ich ziemlich amüsant mit uns „kleinen“ Jungs. Einigen Typen gefiel das nicht so. Aber die haben nichts gemacht. Nur böse gekuckt. Nicht unser Problem.

„Willst du mir eigentlich noch erzählen, was da im Geräteschuppen abging?“ Jasa grinst mich fragend an.

„Ich hab mit Michaela und Tamy einen Blunt geraucht.“

Er kuckt mich leicht skeptisch an. „Ihr hab da drin einfach nur einen Blunt verheizt?“

„Na, die hatten halt noch nie einen Blunt … wie nennt man das? kredenzt?“ Ich muss grinsen.

„haha.. und dafür seid ihr extra in dem Schuppen verschwunden. Ist klar..“ Jasa klopft mir lachend auf die Schulter.

„Ja, ok … vielleicht haben wir noch bisschen gefummelt.“ entgegne ich grinsend.

„Michaela hat plötzlich ihr Top hochgezogen und mich gefragt, ob ich ihre Brüste mag.“

„Was?! … erzähl mir mehr! Immer muss man dir alles aus der Nase ziehen.“

„Na gut … eben, aus dem Nichts hat sie mir da einfach ihre Brüste gezeigt.“

„Und weiter?“

„Ich hab natürlich Ja gesagt … Sie hat schon schöne Brüste.“

„Wie ? Und das wars schon? Du hast doch was von Fummeln gesagt.“ Er sieht mich aufgeregt an.

„Tamy hat mich dann gefragt, ob ich schon mal Brüste angefasst habe. Da hab ich natürlich auch Ja gesagt … dann haben sie mich noch gefragt, ob ich schon mal Sex hatte … hab wieder Ja gesagt. Und die haben dauernd gekichert.“

„Und dann?“

„Dann war ich ziemlich damit beschäftigt, dass sie meinen Steifen nicht bemerken.“

Wir müssen beide lachen. „Oh man.“ Jasa zieht eine Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche. „Kippe?“ Ich nehme eine.

„Und wie ging es weiter?“ hakt Jasa nach.

„Dann ist Michaela näher zu mir ran gerutscht, hat meine Hand genommen, auf ihre Brust gelegt und gefragt, ob sich die anderen Brüste auch so angefühlt haben … und ihre Stimme war plötzlich so komisch.“

„uff… und was hast du gemacht?“

„Ich hab ihr den Blunt weg und ein paar tiefe Züge genommen … In der Zeit hat Tamy ihren Kopf an meine Schultern gelehnt und wieder gekichert … sie hat Michaela angeschaut und gesagt, dass sie mich wohl ziemlich angeregt habe und auf die Beule in meiner Hose gezeigt.“

„Oh Scheisse, Alter. Das war bestimmt peinlich.“ meint er lachend.

„Ja schon. Aber nicht so lange. Michaela hat mich angegrinst und dann meine Hose aufgemacht.“

„Warte, sie hat was?! … Alter, willst du mir erzählen, dass du heute von einer 18 jährigen gefickt wurdest?“ Er sieht mich schockiert an.

„Was? Nein! … ich hab gar kein Kondom dabei … aber sie hat mir einen runtergeholt.“

„Heftig Bratan! … und das alles wolltest du mir nicht erzählen?“

„Schien mir halt nicht so wichtig.“

Jasa lacht wieder „Nicht so wichtig … du bist schon manchmal ein Vogel … und? Wie war es?“ will er wissen.

„Naja … es war schon ziemlich gut.“ Wir grinsen uns gegenseitig an.

„Hey, lass uns in der Bäckerei da vorne ein Brötchen und was zu Trinken holen, ja.“

Ich nicke und wir überqueren die Strasse.

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#24 behinderte Hasen und Engel

Ich steh im Bad und schau mir im Spiegel beim Zähneputzen zu. Jasa läuft hinter mir durch und begrüsst mich mit einem leichten Hieb auf den Rücken mit seinem Handtuch. Er drängt mich etwas zur Seite und stellt sich neben mich an die Spüle und kramt in seinem Kulturbeutel rum. Ich grüsse mit einem Box auf seinen Oberarm zurück.

„Na, was machen wir heute Ben?“

„Ich dachte, Badehose anziehen, BMX schnappen, einfach mal bisschen rumwuseln in der Stadt und sehen was der Tag so bringt.“

„Also dasselbe wie gestern …. klingt gut.“ Jasa grinst.

Ich spucke die Zahnpasta ins Becken, wisch mir den Mund ab und schlendere los, den Flur entlang in Richtung von unserem Zimmer.

In diesem angekommen zieh ich mich an. Es klopft an der Türe. Mit einem „Ja?“ antworte ich. „Ich bins. Kann ich reinkommen?“ Ruft Edona durch die Türe. Ich entgegne mit einem knappen „Klar“. Die Türe öffnet sich und Edona betritt den Raum. „Habt ihr schon gefrühstückt?“ „Ja.“ „Warum habt ihr denn nicht auf mich gewartet?“ Sie sieht mich fragend an. „Wie? Du hast doch vor uns schon gegessen. Dein Set war nicht mehr da.“ „Ach, ich habe doch nur vergessen meinen Platz zu decken gestern Abend.“ „Oh.. na, das wussten wir ja nicht. Sorry… aber da du ja gerade hier bist, müssen wir dich jetzt nicht mehr suchen. Kommst mit uns raus?“ In dem Moment kommt Jasa ins Zimmer. „Oh.. Guten Morgen Schwesterherz… du warst ja früh essen heute.“ „Guten Morgen… war ich gar nicht. Habe nur vergessen meinen Platz zu richten..“ „Ah. Hey kommst mit uns raus?“ „Klar! Was habt ihr denn vor?“ „Wir dachten, Badehosen anziehen und einfach mal bisschen rumfahren und kucken.“ „Also dasselbe wie gestern?“ „Genau!“ Wir müssen alle lachen.

Zugegeben, unser Sommerferienprogramm klingt langweilig, ist es aber nicht. Wir sind 14, die Sonne scheint, wir kennen jede Ecke an der man Eis bekommt, wir haben Flüsse und den See … und wir haben einen Ghettoblaster. Uns gehört die Welt!

„Yo! in 5 Minuten draussen am Tor?“ fragt Jasa in die Runde. „10.“ meint Edona und verschwindet aus dem Zimmer.

Jasa und ich fahren vor dem Tor auf und ab. Wir warten noch auf Edona. Von wegen 10 Minuten.

Ich übe einen Bunny Hop hinzukriegen mit meinem Bike. Das heisst, ich kann ihn eigentlich, aber das Vorderrad zieh ich immer viel weiter hoch als das Hinterrad. Jasa kann das viel besser als ich. Bei mir ist das eher ein leicht gehbehinderter Hase. Naja…

Endlich kommt Edona. „Was hat denn da so lange gedauert?“ will Jasa von ihr wissen. „Ist das wichtig? … wir können jetzt ja los.“ antwortet sie und streckt ihm die Zunge raus. „Darf ich bei dir mitfahren?“ Edona schaut mich an und grinst. Ich nicke und grinse zurück.

Sie setzt sich bei mir auf den Lenker und wir fahren los.

„Limmat?“ ruft Jasa, während er uns überholt. „Ok!“ ruf ich ihm nach.

Wir fahren durch die Quartierstrassen in Richtung Fluss.

Wie die Seehunde liegen die anderen Badegäste zusammengerottet am Ufer und sonnen sich. Ein Haufen Leute, viele Kinder die rumtoben, ein paar ältere Frauen die sich oben ohne bräunen und ein paar alte Säcke die allen jungen Frauen nachgaffen. Ok, ich kuck mir die nackten Brüste die hier rumliegen auch an. Aber im Gegensatz zu den alten, schäme ich mich wenigstens und kuck immer wieder auf den Boden.

Wir haben eine Ecke am Rand der Masse gefunden und setzen uns unter einen Baum. Es ist warm und es duftet nach den Würsten vom Grill der kleinen Imbissbude in der Nähe.

„Hat wer von euch bisschen Geld dabei? Ich hab nur 2.- dabei. Das reicht nicht für ein Eis für alle.“ Meint Edona. „Ich ab gerade eh keine Lust auf Eis. Ich spring mal ins Wasser.“ Antwortet ihr Jasa. „Warte, ich hab noch was.“ Ich kram ein paar Münzen aus meinem Rucksack. „Hier.“ ich strecke ihr mein Kleingeld hin. „Oder soll ich mitkommen?“ Edona nimmt die Münzen aus meiner Hand. „Nein, ich bring dir eins mit.“ Während Edona weggeht, zieht Jasa sein Shirt und die Schuhe aus, wirft alles auf den Boden und rennt nach einem „Bis gleich!“ in Richtung Fluss.

Ein paar Minuten später sehe ich Edona zurückkommen. Sie hält zwei Raketen in der Hand. Die Sonne scheint ihr in den Rücken. So in Licht gehüllt scheint sie zu leuchten.

Ich habe nicht wirklich Ahnung von Engeln, aber ungefähr so müssen die aussehen, denke ich.

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#23 Der rote Hoodie

Ich frage mich gerade, ob Edona schon immer so gut ausgesehen hat oder ob das neu ist? Ich mein, sie war nie hässlich oder so, aber irgendwas ist heute anders. Glaube ich…

Sie steht ein paar Meter vor mir und kramt einen Pullover aus dem Regal.

Wir sind bei Dan im Skateshop. Aus den Boxen dröhnt Green Day.

Sie trägt ihre neue Hose. Sandfarbene, weit geschnittene Chinos. Die sitzen so tief auf ihren Hüften, dass man den Bund ihres Slips sehen kann. Ihr Oberteil ist gerade so lang, dass es ihr ganz knapp nicht bis zum Hosenbund reicht.

Sie sieht ein bisschen so aus wie Sandra Nasić. Und die ist ziemlich cool. Ist das vielleicht der Grund, warum ich Edona gerade ziemlich anziehend finde? Weil ich irgendwie auf Sandra Nasić stehe? Ich hab den neuen Lords of the Boards Clip gesehen und sie ist einfach … lassen wir das.

Was es auch ist. Ändert nichts an der Tatsache, dass ich zur Abwechslung eventuell mal wieder was anderes als ihren Arsch anstarren sollte.

In dem Moment klopft mir jemand auf die Schulter und ich zucke zusammen.

«Was geht? Alles klar bei dir Ben?» Es ist Dan, der mich aus dem Nichts überrumpelt hat. «Alles klar … und bei dir?» stammel ich, während ich mich von dem kleinen Schock erhole. Dan nickt. «Bist du auf der Suche nach etwas oder hast du das bestimmte Etwas schon gefunden?» Er stupst mich an, grinst und zeigt auf Edona, die sich noch immer Pullover anschaut.

«Ich… äh… was? Nein… ich mein Ja. Ich wollte mir neue Schuhe kaufen.» Dan grinst noch immer. Noch debiler als vorher. «Dir ist klar, dass die Schuhe auf der anderen Seit sind? Aber ok… ich lass dich mal weiter kucken.» Er klopft mir auf die Schulter und läuft lachend davon.

Edona dreht sich zu mir. «Was ist denn da so lustig?» «Äh… nichts?» «Warum hat Dan dann gelacht?» Edona schaut mich fragen an. Ich zucke mit den Schultern. «Hey, der Pulli da hinten passt bestimmt gut zu dir. Ich gehe zum Regal, greife nach einem roten Hoodie, zieh ihn raus und halt ihn ihr hin. «Ja, der ist wirklich cool. Den probiere ich an.» Edona zieht ihn sich über, geht zum Spiegel in der Umkleidekabine und beginnt sich in verschieden Posen zu werfen. «Der steht dir.» «Ja, oder? Den will ich.» Sie lächelt.

Während Edona den Pulli über ihren Kopf zieht um ihn auszuziehen, rutscht ihr Shirt mit hoch und ich kann ihren BH kurz sehen. Er ist schwarz und der Stoff sieht ziemlich dünn aus. Ich bilde mir ein, die Abdrücke ihrer Nippel zu erkennen. Schon ist der Pullover wieder aus- und ihr Shirt nach unten gezogen. Sie schaut mich skeptisch an.

«Hast du mir gerade auf die Brüste gekuckt?»

Ich antworte leicht verlegen «Vielleicht? …wär das schlimm?» Ich seh ihr an, dass sie nachdenkt. «Nein. Nicht schlimm …nur bisschen komisch.» «Tut mir leid …das war nicht wirklich mit Absicht.» «Alles gut. Bei dir stört es mich nicht so wirklich, wirklich …denke ich.» Betretenes Schweigen macht sich breit.

«Oh so ein Mist…» murmelt Edoan vor sich hin. «Was ist denn los?» «Der Pulli kostet 69.- und ich habe nur noch so um die 30, 40 …glaube ich.» Betrübt stopft sie den Pullover zurück ins Regal.

«Ich hol mir jetzt ein Frust-Eis. Kommst du mit?» Edona sieht mich fragend an. «Ich… geh schon mal vor. Ich muss Dan noch kurz was fragen.» «Ok. Wir treffen uns nachher unten beim Brunnen …aber ich werde dann halt schon ein Eis haben. Ätsch!» sie streckt mir die Zunge raus, grinst und schlendert davon.  

Ich kram mein Geld aus meiner Hosentasche und zähle es zusammen. Das reicht locker für den Pullover.

Ich zieh den Hoodie wieder aus dem Regal und gehe zu Dan an die Kasse.

«Kapuzenpulli? Dachte du willst Schuhe?» Dan grinst schon wieder so dämlich. Ich glaube, er kann einfach nicht anders. «Der ist nicht für mich.» sag ich und drücke im das Geld in die Hand. Er kramt das Wechselgeld aus seiner Kasse und reicht es mir über den Tresen. «Willst du eine Tüte?» Ich schüttle den Kopf. «Danke.» Ich schnapp mir den Pulli und geh aus dem Laden.

Ein paar Meter weiter sitzt Edona auf dem Rand des Brunnens und hat sich in der Zwischenzeit wirklich schon ein Eis geholt. Ich geh zu ihr hin und gebe ihr den Pullover. Sie schaut mit verdutzt an. «Du hast mir den Hoodie gekauft? …du hast ihn doch bezahlt, oder?» «Ja, der ist offiziell gekauft. Und ja, ich habe ihn für dich gekauft.» «Warum?» «Wie warum?» «Warum hast du mir den gekauft?» «Na, weil du ihn wolltest …und ich dich mag …und ich wollte ihn dir halt einfach kaufen …nimm ihn als Geburtstagsgeschenk oder so.» Edona schaut mich an und lächelt. «aber ich habe doch erst in ein paar Monaten Geburtstag …Weihnachten ist vorher auch noch.» «Na, dann nimm ihn halt als Weihnachtsgeschenk.» Edona steht auf, nimmt mich in den Arm und gibt mir einen Kuss auf die Wange. «Danke, Ben. Hab dich lieb.» Ich drück sie, löse mich dann aus der Umarmung und gehe weg. «Hey, wo willst du denn jetzt hin?» ruft sie mir hinterher. «Ich muss etwas gegen die ungerechte Eisverteilung hier unternehmen!» rufe ich ihr grinsend zu und gehe weiter in Richtung Eisdiele.

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#20 Zu viele Gedanken und Erinnerungen

„Wie geht es ihnen heute?“ fragt er mich, während er irgendwas auf seinen Notizblock kritzelt. Ich bin nicht freiwillig hier. Wurde bei einer Schlägerei aufgegabelt von den Bullen. Wegen Körperverletzung und weil ich ein bisschen Zeug dabei hatte, gehören die nächsten 4 Monate, regelmässige Treffen mit diesem Psychotherapeuten der Suchtberatung, zu meiner Strafe dazu. „hmm.. weiss nicht.“ Er blickt von seinem Block hoch. „Woran liegt es, dass sie nicht wissen wie es ihnen geht?“ „Ich schätze, ich denke nicht darüber nach, wie es mir geht.“ Er kritzelt weiter. „Denken sie, dass das die richtig Methode ist? … nicht Nachdenken?“

Was will er denn hören? Dass es besser wäre, wenn ich mir permanent vor Augen führe, dass ich diese Welt nicht mag? Dass ich nie irgendwie das Gefühlt hatte, hier reinzupassen? Dass ich die meisten Menschen nicht verstehen kann? Warum man so viele Dinge machen muss, die man gar nicht möchte, nur weil man irgendwie dazugehören sollte? Ich zucke mit den Schultern.

„Setzen wir wo anders an. Was sind denn die guten Dinge in ihrem Leben?“ „Meine Freunde … Musik … Skateboarden … Videospiele … Bücher und Filme. Ich mag Filme.“ „Das ist doch etwas. Haben sie viele Freunde?“ „Nein. Sollte ich viele haben?“ „Nein. Das ist bei jedem unterschiedlich. Es gibt da nicht wirklich ein richtig oder falsch.“ „Na dann…“ Er notiert wieder etwas. „In der Anamnese steht, dass sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben und aktuell Gelegenheitsjobs verrichten?“ „Nicht mehr. Ich mache gerade ein Praktikum.“ Er schreibt weiter. „Und wo machen sie dieses Praktikum?“ „Auf einer gerontopsychiatrischen Abteilung.“ „Interessant. Wie sind sie dazu gekommen?“ „Eine Bekannte hat mir gesagt, dass ich das machen könnte.“ „Und da haben sie sich gedacht, dass sie das mal machen könnten?“ Er schaut mich leicht skeptisch an. „Ja ungefähr so.“ „Was ist denn der Grund, weshalb sie nicht in ihrem Ausbildungsfeld tätig sind?“ „Weil der Job scheisse ist. Der macht keinen Sinn.“ „Das ist ihre Erkenntnis nach dreijähriger Ausbildung?“ „Nein, die Erkenntnis hatte ich schon nach ein paar Tagen.“ „Und sie haben trotzdem die Lehre abgeschlossen?“ „Ich musste ja. Alle haben immer gesagt, dass ich einen Abschluss machen muss. Dass das wichtig sei.“ „Hätten sie denn lieber einen anderen Beruf erlernt?“ „Nicht wirklich.“ „Sie haben keinen Traumberuf? Oder einen Berufswunsch, dem sie lieber nachgegangen wären?“ „Nein.“ Wieder kritzelt er auf seinem Notizblock rum. „Warum genau haben sie sich denn damals für diese Ausbildung entschieden?“ „Weil man mir gesagt hatte, ich solle das machen … und ich hab halt versucht, in dieser Welt Fuss zu fassen.“ „Was meinen sie damit, in dieser Welt Fuss zu fassen? In der Arbeitswelt?“ „Eigentlich meine ich damit eher die Mehrheit der Gesellschaft … man muss ja irgendeine Ausbildung machen und einen akzeptierten Job haben. Ist doch einer der Eckpfeiler dieses Systems.“ Er sieht mich an. Ein kurzer Moment Stille. „Sie denken, sie gehören nicht zur Gesellschaft?“ Ich nicke. „Weshalb denken sie das?“ „Weil es so ist. Da ist kein wirklicher Platz für mich. Ich passe wohl einfach nicht dazu.“ Ich schaue auf meine Uhr. „Haben sie es eilig?“ will er wissen. „Nein. Aber will nicht hier sein und warte nur darauf, dass diese Sitzung endlich durch ist.“ „Ist ihnen das hier unangenehm?“ „Ja.“ „Warum ist ihnen das unangenehm?“ „Weil ich gezwungen werde hier zu sein und ich eigentlich gar nicht mit ihnen über mich reden mag. Sie stellen mir Fragen, die ich nicht wirklich beantworten möchte. Warum auch? Mir hat auch nie jemand meine Fragen beantwortet. Das System hat mich nie gefragt, wie es mir geht und was ich möchte. Einen Dreck hat es sich interessiert. Und jetzt plötzlich, ist das Interesse da? Nach 19 Jahren? … ihr könnt mich mal!“ Ich spüre wie so ein Druck in mir aufsteigt, als würde ich gleich platzen. „Ich sehe, dass sie wütend sind … welche Fragen hat man ihnen denn nie beantwortet? … vielleicht sollten wir da ansetzten.“ „Warum wurde ich ins Heim abgeschoben? Ich wollte da nicht hin. Warum hat man mich in Pflegefamilien gesteckt? Ich wollte da nicht hin. Warum durfte ich nie mitentscheiden? Warum entscheiden immer andere, was das Beste für einem ist? Warum hat man mir nie die Hand gereicht, nur die Hand erhoben? Keinen interessiert es wie es mir geht. Wichtig ist nur, dass ich ruhig bin und mache was man mir sagt. Ich hasse das!“ Ich stehe auf und nehme meinen Rucksack. „Mir egal ob die Sitzung zu Ende ist und ich scheiss auf die Konsequenzen! Ich gehe jetzt!“ „Warten sie. Ich möchte nicht, dass sie so wütend rausgehen. Und ich möchte, dass wir die Sitzungen weiterführen können … seien sie ehrlich zu sich selber. Die Konsequenzen dafür möchten sie nicht tragen.“ Er schaut mich mit ernster Mine an. Bei dem Punkt mit den Konsequenzen hat er schon irgendwie recht. Ich weiss auch nicht. „Hören sie. Der nächste Termin steht. Denken sie darüber nach, ob sie ihn wahrnehmen oder ob sie wirklich die andere Option möchten.“ Wir schweigen uns kurz an.

Ich verlasse das Zimmer, die Praxis, gehe die Treppe nach unten und merke wie meine Augen immer feuchter werden. Zu viele Gedanken und Erinnerungen die mir durch den Kopf schiessen. Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht, setze meine Kopfhörer auf, dreh die Musik laut, ziehe mir die Kapuze über den Kopf und gehe durch die Eingangstüre auf die Strasse raus.

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#19 Wie ein richtig befreiender Rülpser

Eigentlich wollten wir unten nur kurz eine Limo trinken und danach bisschen Skaten. Aber jetzt sitzen wir im Büro von Onkel Jan, weil er irgendwas bequatschen will.

„Jungs, ich habe eine Bitte an euch.“ Jasa und ich schauen ihn fragend an. „Ihr habt mitbekommen, dass Mauro seit ein paar Tagen unauffindbar ist.“ Er zeichnet diese komischen Anführungszeichen in die Luft. „Was ist mit Mauro?“ will Jasa wissen. Onkel Jan winkt ab. „Wissen wir nicht … Hört zu Jungs, ihr wisst doch was Mauros Job war … ich will hier nicht um den heissen Brei reden. Habt ihr bock seinen Job zu übernehmen und bisschen Geld zu verdienen?“ „Klar!“ Jasa scheint nicht eine Sekunde nachgedacht zu haben, so schnell kam seine Zusage rausgeschossen. Onkel Jan lächelt ihm zu. „Und was ist mit dir Ben?“ „Ich meine ja … grundsätzlich … aber ich kenne ja die genauen Bedingungen nicht … wie schaut denn das aus? Ist das auf Abruf oder ist das fest terminiert? Was bekommen wir denn? Ich meine wieviel für was?“ Onkel Jan grinst. „Ich sehe schon, du beobachtest alles ganz genau. Nachschub geht auf Abruf raus. Ihr kriegt 3% jeder.“ „5 für jeden und ich bin dabei.“ „Du weisst schon, dass nicht mal Mauro 5% hatte?“ „Ich bin nicht Mauro. Und du weisst, dass wir bis jetzt immer sehr zuverlässig waren.“ Onkel Jan kramt einen Taschenrechner aus einer Schublade und tippt darauf rum. „4% kann ich euch geben.“ Sagt er, während er auf seiner Unterlippe rumkaut. „4% ist ok. Eine Bedingung hätte ich aber noch.“ „Was willst du denn noch?“ „Ich möchte jederzeit aufhören damit, wenn ich das nicht mehr machen möchte.“ Onkel Jan schaut mich mit ernster Mine an. „Ihr seid doch meine Jungs. Was denkst du, was ich mit euch vor habe?“ „Ich weiss doch wie das hier läuft. Wenn die Jungs erst mal aufgenommen sind, kommen die nicht mehr so einfach raus aus dem Klub.“ Onkel Jan kommt auf mich zu, legt seine rechte Hand in meinen Nacken und zieht mich ganz nah an sich ran. „Ben, ihr seid noch viel zu jung, als dass wir euch als Vollmitglieder in den Klub aufnehmen würden. Du bist Familie. Blut. Nicht Klub-Familie. Du wirst nie dem Klub beitreten müssen. Verstehst du?“ Ich nicke. Er lässt mich wieder los. Onkel Jan geht wieder an seinen Bürotisch zurück und setzt sich. „Und? Macht ihr es?“ „Die Bedingungen sind ok?“ will ich von ihm wissen. Er nickt. „Na dann steht nichts im Weg.“ Onkel Jan lächelt. „Gut. Kommt mit. Wir gehen zu Mirco. Der erklärt euch die Details.“ Er steht auf und wir gehen ihm nach. Die Treppe nach unten in eines der Hinterzimmer. Ich kenne das Zimmer. Eigentlich kenne ich wohl jeden Winkel in diesem Haus. Wie oft wir nur schon Verstecken hier gespielt haben als wir noch klein waren. „Mirco, die Jungs übernehmen für Mauro. Zeig ihnen was sie wissen müssen.“ Mirco nickt ihm zu. „Dann wollen wir mal. Mirco kramt einen Stadtplan und einen Kugelschreiber aus einer Tasche. „Also, ihr kennt euch ja aus. Es läuft wie folgt … „ Mirco erklärt uns ausführlich wer, was, wo vertreibt. Alle haben ihr kleines Depot in ihrem Gebiet. Die haben alle eine Nummer. Wir müssen die entsprechende Lieferung an die entsprechende Stelle bringen und bei Mirco verbuchen lassen nach dem Deponieren. Eigentlich voll simpel, wenn die Zahlenkombinationen nicht so unlogisch verteilt worden wären. Aber egal. Kriegen wir schon hin. „Habt ihr das verstanden? Ich kann es sonst nochmal erklären, wenn ihr wollt.“ Mirco schaut uns fragend an. „Nö passt schon. Habens kapiert.“ „Gut. Ich habe nämlich auch schon die ersten Päckchen für euch.“ Er hievt eine Sporttasche auf den Tisch und öffnet den Reissverschluss. Er holt 6, in Packpapier gewickelte Rollen raus. Mit einen Marker schreibt er den Bestimmungsort drauf. BZ237, AL112 und BR93. Er schiebt sie über den Tisch zu uns. „Ihr wisst wo hin?“ Jasa schaut mich an. Ich nicke. „Seht zu, dass die vor 18.00 Uhr da sind.“ „Alles klar.“ Ich packe 4 Rollen in meinen Rucksack, Jasa die restlichen beiden. Wir wollen gerade rausgehen, als Mirco uns stoppt. „Ach Jung.. egal was auch ist, ihr drückt das Zeug niemandem in die Hand. Unter keinen Umständen. Immer ins Depot. Wenn das nicht geht, bringt ihr mir das Zeug wieder. Verstanden? Das ist wichtig.“ Jasa nickt. „Verstanden.“

Wir brauchten keine ganze Stunde um die 3 Depots abzufahren. Direkt danach traben wir wieder bei Mirco an. „Alles ok bei euch?“ Mirco sieht und verblüfft an. „Jap, alles bestens. Alle Pakete zugestellt.“ „Ihr hattet es wohl eilig?“ Mirco grinst. „Ja, wir wollten ja eigentlich Skaten gehen.“ Jasa hält ihm provokativ sein Board vors Gesicht. „Alles klar. Könnt ihr ja gleich.“ Mirco lacht. „Wartet kurz. Ich hole euer Geld.“ Mirco verschwindet durch die Türe. „Jasa, ist das ok was wir hier machen? Ich bin mir da nicht so sicher…“ Jasa legt mir einen Arm auf die Schultern. „Nein Bratan. Aber auf dieser Welt ist vieles nicht ok … ist es ok, dass wir so in diese Welt gekotzt wurden? … wir überleben doch nur irgendwie. Und wenn wir das nicht machen, macht es doch irgendein Anderer.“ Klingt für mich in diesem Moment sehr plausibel. „Hast wohl recht.“ „Aber hey, kein Wort zu Edona. Die killt uns!“ Ich nicke. Mirco kommt wieder rein ins Zimmer und hat 2 Bündel Geld in der Hand. „Euer Anteil Jungs. Haut nicht gleich alles auf den Kopf.“ Er grinst uns zu, während er uns das Geld entgegenstreckt. Ich schaue mir das Geldbündel an. Das ist meins? Ich weiss nicht, wie man dieses Gefühl nennt. Es fühlt sich gut an, aber irgendwie auch nicht so richtig. Wie ein richtig befreiender Rülpser. Entspannend, aber da kam noch ein bisschen Magensäure aufgestossen. Irgendwie so.. Fuck it! Ich weiss, dass ich die nächsten Tage was essen kann. Jasa klopft mir auf die Schulter. „Los! Ab zur ETH!“ Er lacht. Ich schnapp mein Board, meinen Rucksack und wir gehen raus in Richtung Bushaltestelle.

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#18 Einige Prellungen und Schürfungen. Das wird wieder

Mein Speichel schmeckt nach Metall, mein Kopf brummt, stechender Schmerz in meinen Rippen und mein Arme schmerzen höllisch. Ich liege seitlich auf dem Boden und versuche meinen Bauch mit meinen Beinen und den Kopf mit meinen Armen zu schützen. Kompakter kriege ich das Päckchen nicht hin. Und schon knallt der nächste Fuss gegen meine Unterarme. Edona schreit sich verzweifelt die Seele aus dem Körper. „Ben! Ben! Nein! Hört auf! Ihr bringt ihn noch um! Hört auf! Lasst ihn ihr Schweine!“ Ich höre den einen irgendwas rufen, aber nur dumpf. Alles wird immer leiser. Mir wird schlecht.

Langsam werde ich wach. Ich versuche gerade rauszufinden, ob ich eine Stelle an meinem Körper ausmachen kann, die nicht schmerzt. Ich öffne die Augen und schau mich erst mal um, ohne mich gross zu bewegen. Edona sitzt neben mir am Bett und lächelt mich an. „Endlich bist du wach!“ Sie beugt sich über mich und gibt mir einen Kuss auf die Wange. „Wie fühlst du dich?“ „Wie frisch ausgekotzt…“ Ich merke gerade, dass ich wohl in einem Krankenhaus bin. Igitt. Ich drehe mich auf den Rücken um mich aufzusetzen. Da sehe ich Jasa und Onkel Jan am Fussende des Bett stehen. Jasa grinst etwas zögernd und winkt mir zu. Mein Onkel lacht mich an und kommt näher zu mir. „Ben, ich bin so froh, dass du ok bist … was ist passiert? Wer hat dir das angetan?“ Ich denke kurz nach. „Ich bin mit Edona durchs Quartier geschlendert. Wir waren bei Nexhmedin und haben nen Döner gegessen … da sind plötzlich ein paar Jungs von du weisst schon wem aufgetaucht. Die haben was gelabert von wegen, dass ich da nichts verlören hätte, dass das jetzt ihre Ecke wäre und so … Die waren zu Dritt. Wir sind also rausgegangen aber sie kamen uns nach. Ziemlich weit. Wir wollten die Brauerstrasse runter und sie dort abhängen … da haben sie uns schon eingeholt und gingen auf uns los…“ „Einer dieser Ärsche hat mich festgehalten. Ich wollte Hilfe holen. Dann habe ich geschrien so laut ich konnte. Aber es kam einfach voll lange niemand … irgendwann kam dann die Polizei und ein Krankenwagen.. Aber die sind davongekommen.“ „Apropos Bullen. Da wartet einer draussen. Der hat gesagt, er muss deine Aussage aufnehmen, wenn du dann wach bist.“ meint Jasa. Ich schau zu meinem Onkel. Er nickt mir zu und lächelt. „Schon gut Ben. Rede mit ihm. Du weisst ja wie das läuft..“ er klopft mir auf die Schulter und zieht seine Hand sofort wieder weg als er bemerkt, dass mir das weh tut. „Entschuldige. Ich… wollte nicht…“ „Alles gut. Geht schon wieder.“ Onkel Jan geht zur Türe, öffnet sie und streckt seinen Kopf raus. „Er ist jetzt wach.“ Ein paar Sekunden später betritt ein Typ das Zimmer, der nicht zivi-bulliger hätte aussehen können. Baseballmütze, Sonnenbrille, blaues Polo-Shirt in die Jeans gestopft, Bauchtasche und weisse Sportschuhe. Er steckt seine Sonnenbrille in die Brusttasche und kommt zu mir ans Bett. „Hallo Ben. Ich darf dich doch duzen?“ Ich zucke mit den Schultern. „Mir egal.“ „Na gut…“ Er sieht die anderen im Zimmer an. „Darf ich sie bitten, das Zimmer zu verlassen? Ich würde gerne mit Ben alleine reden.“ Jasa dreht sich ab um zu gehen und Edona steht von der Bettkante auf. „Nein. Die bleiben schön hier. Ich bin nicht so gerne alleine mit einem Polizisten in einem Raum.“ Jasa dreht sich wieder zurück, Edona setzt sich wieder und legt ihre Hand auf meinen Oberschenkel. Onkel Jan grinst mich an. Der Polizist schaut mich etwas verdutzt an. „Na dann bleiben sie hier … Ich möchte mit dir über gestern Abend reden. Was genau ist da passiert?“ „Ich wurde verprügelt.“ „Und weiter?“ „Dann bin ich eben in einem Krankenhaus aufgewacht … In welchem eigentlich? Wo sind wir hier?“ „Triemli“ sagt Edona und fährt mir über den Rücken mit ihrer Hand. „Ok Ben. Dass du verletzt wurdest und deswegen ins Krankenhaus musstest, das wissen wir bereits.“ Er scheint etwas entnervt. „Aber wer war das? Was war der Grund? Kannst du mir dazu etwas sagen?“ Klar kann ich dir das sagen. Es waren Jungs von Costa. Es geht um Quartierkampf. Mach doch deine Hausaufgaben! „Keine Ahnung. Weiss nicht was die wollten … wohl einfach ein paar auf Krawall gebürstete Spassten…“ Er schaut mich misstrauisch an. „Irgendwelche Schläger? … da bist du dir sicher?“ „Äh nein.. kenne die ja nicht. Aber muss wohl.“ „Kannst du mir beschreiben, wie sie ausgesehen haben?“ „Nicht wirklich. Kamen von hinten.“ „Du hast nichts gesehen?“ „Ich war damit beschäftigt nicht drauf zu gehen…“ „Na gut… deine Freundin hat uns gesagt, sie waren zu dritt und hatten Kapuzen tief ins Gesicht gezogen und waren alle komplett schwarz gekleidet.“ Er sieht mich fragend an. „Ja kann sein. Wenn sie das sagt. Ich habe sie nicht gesehen.“ „Haben sie dir etwas gestohlen?“ „Weiss nicht. Wo sind denn meine Sachen?“ Jasa geht zum Tisch am Fenster, nimmt die weisse Plastiktüte und bringt sie zu mir ans Bett. „Hier sind sie.“ Ich kram meine Kleider aus dem Sack und überprüfe meine Taschen. Kippen, Feuerzeug, Kaugummis, ein Marker, bisschen Geld und mein kleiner Spielzeugpinguin. „Nein. Alles da.“ Der Polizist sieht sich fragend meinen Pinguin an, löst seinen Blick langsam von ihm und schaut mich wieder an. „Dein Glücksbringer?“ „Sowas in der Art.“ „Also ich fasse mal kurz zusammen. 3 Typen, schwarz gekleidet und nicht erkennbar. Kein Diebstahl als Grund des Überfalls. Du weisst nicht wer das war und du weisst nicht warum. Korrekt?“ „Korrekt.“ Er schaut alle im Zimmer, einen nach dem anderen an, zieht mit einer Hand seine Sonnenbrille aus der Brusttasche, mit der anderen eine Visitenkarte aus der Gesässtasche und streckt sie mir hin. „Für den Fall, dass dir doch noch etwas einfallen sollte. Melde dich … Bis dahin, gute Besserung. Wir sehen uns.“ Ich nehme die Karte. „Danke … nicht für die Karte. Wegen dem gute Besserung.“ Er nickt, dreht sich ab und verlässt das Zimmer. „Das war ein komischer Vogel.“ sagt Edona. „Kurac.“ kommentiert Jasa. „Gib mir mal die Karte.“ Onkel Jan streckt mir seine Hand hin. „Hier.“ Er schaut sie sich an. „Soso..“ „Was soso?“ will ich wissen. „Der Name kommt mir nicht bekannt vor. Darf ich die Karte?“ Ich nicke. „Klar. Habe nicht vor mich bei dem zu melden.“ In diesem Moment klopft es an der Türe und eine Schwester kommt rein. „Herr Nikodemski, kann ich kurz mit ihnen sprechen?“ „Du bist ja voll der Star hier.“ meint Jasa. Alle lachen. Naja, alle ausser die Krankenschwester. „Was gibt es denn? Darf ich nach Hause?“ „Noch nicht, der Arzt kommt gleich auf Visite. Aber es sieht ganz gut aus. Nichts gebrochen. Einige Prellungen und Schürfungen. Das wird wieder.“ Sie lächelt mich an. „Darf ich kurz?“ Während sie das fragt, hebt sie schon mein Hemd hoch und fummelt an einem Verband auf meinem Bauch rum. „Der sieht gut aus. Wie geht es ihnen mit den Schmerzen?“ „Geht schon.“ „Gut. Ansonsten einfach melden, wenn sie etwas brauchen.“ Sie geht zur Türe. „Die Visite sollte bald kommen.“ Ich nicke ihr zu.

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#17 Musste ich wohl erst ein kleines, freches Appenzellerchen treffen um das zu erfahren

„Jasa verpisst sich nach L.A. für einen Austausch und du hängst nur noch in St. Gallen … irgendwie verlieren wir uns alle gerade Ben…“ Edona starrt in ihre Kaffeetasse und scheint nicht mehr aufzuhören mit umrühren. „Was soll das heissen, wir verlieren uns? … Jasa ist 6 Monate weg. Klar, das ist schon lange, aber das geht doch auch rum irgendwie. Ausserdem gibt es doch Mail, Telefon, Facebook und so. Das geht schon.“ Edona hebt ihren Kopf und sieht mich an. „Das ist nicht dasselbe. Er wird mir trotzdem fehlen … Und du bist ja auch kaum noch hier.“ „Ich bin doch unter der Woche eigentlich immer hier.“ „Ja unter der Woche. Aber du gehst kaum noch raus und an den Wochenenden bist du praktisch immer weg. Ich seh dich kaum noch.“ Ihrer Stimme schwingt ein trauriger Unterton mit. „Du weisst doch, dass ich dauernd in eine Scheisse gerate, wenn ich hier bin. Diese Stadt ist ein Moloch von dem ich mich immer wieder runterziehen lasse … ich versuch doch nur mein Leben irgendwie sauber zu kriegen.“ „Und das kannst du nur in St. Gallen oder was?“ Sie sieht mich fragend an. „Gibt bestimmt auch andere Orte … aber da passt es halt gerade irgendwie.“ „Was ist denn dort besser als hier?“ „Nicht viel. Ehrlich gesagt ist das meiste sogar schlechter als hier … Aber es ist friedlich. Mich kennt da keiner. Bis auf 2, 3 Leute. Ich kann da quasi bei Null anfangen. Kein Ärger. Keine Altlasten die ich dauernd mit mir rumschleppen muss. Ich muss nicht dauernd angespannt durch die Gegend laufen, weil jederzeit irgendeine Scheisse passieren kann … Ich bin da einfach frei. Und das fühlt sich voll gut an. Mein Neuanfang…“ Edona schaut mich skeptisch an. „Das denkst du wirklich oder? … Glaubst du, dass du einfach alles hinter dir lassen kannst und ein neues Leben anfangen kannst? Versteh mich nicht falsch. Ich will ja schon lange, dass du dein Leben in den Griff kriegst. Aber das hat hier auch nicht funktioniert. Immer kam was dazwischen. Meinst du, du kannst dort einfach so tun, als wärst du nicht du? Als wär dort dann plötzlich alles anders?“

Was, wenn das stimmt? Was, wenn es wirklich nicht an dieser Stadt liegt sondern nur an mir? Ziehe ich die ganze Scheisse einfach mit mir mit? Nein. Das kann nicht sein. Das darf nicht sein. „Ja … es muss einfach. Es fühlt sich richtig an.“ „Wenn du meinst… Das denkst du aber jetzt nicht nur wegen deiner neuen Freundin oder?“ Meint Edona schnippisch. „Was? Welche Freundin?“ „Tu jetzt nicht so. Jasa hat mir erzählt, dass du so eine St. Galler Tusse kennengelernt hast.“ „Bist du etwa eifersüchtig? … Erstens ist sie nicht meine Freundin und Zweites ist sie keine St. Gallerin, sondern eine Appenzellerin und Drittens … warum muss ich mich eigentlich rechtfertigen?“ „Schon gut … du musst nicht rechtfertigen warum du uns einfach den Rücken zuwendest.“ „Du gönnst mir nicht, dass ich es geniesse, dass mein Leben endlich mal etwas abbremst? … ich wende niemandem den Rücken zu. Das bedeutet doch alles nicht, dass ich euch, dich nicht mehr in meinem Leben will. Nur weil sich die Wege etwas ändern, heisst das nicht, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben möchte. Du weisst genau wie wichtig du mir bist.“ „Und doch verlässt du mich für die Schlampe? Wie soll ich das verstehen?“ Edona dreht sich seitlich ab und starrt die Wand an. „Das denkst du? Ich verlasse dich? Du weisst, dass das nicht stimmt … Wer ist letztes Wochenende in der Nacht sofort los um zu dir zu kommen, weil es dir scheisse ging? Wer telefoniert oder schreibt mit dir stundenlang, weil du reden möchtest? … und du weisst, dass ich das grundsätzlich nicht mag. Das tu ich nur für dich.“ Sie ignoriert mich und starrt weiter an die Wand. „Du redest also jetzt nicht mehr mit mir? … ok. Dann kann ich ja gehen … meld dich, wenn du dich wieder eingekriegt hast.“ Etwas angepisst von ihrer Gezicke stehe ich auf, schiebe meinen Stuhl an den Tisch, nehme meinen Rucksack und gehe zur Haustüre. Beim Rausgehen höre ich nur noch ein „Viel Spass mit der Bitch!“.

Ich kapier nicht ganz was hier los ist. Und vor allem ist Lara keine Schlampe. Sie ist ein grossartiges Mädchen. Würde sie verstehen, wenn sie sie kennen würde. Ein gutes. Ein anständigeres als viele die ich so kenne. Sie ist nett, witzig und wunderschön. Es fühlt sich gut und richtig an, Zeit mit ihr zu verbringen. Sie kommt aus einer ganz anderen Welt. Eine Welt in der ich auch gerne sein möchte. Wenn ich bei ihr bin, bin ich glücklich. Das darf ich doch auch sein oder? Jasa hat mir letzte Woche schon gesagt, dass ich mich wohl verliebt habe. Langsam glaube ich das auch. Das ist sie also? Diese Liebe? Ich dachte, ich wär auch schon verliebt gewesen. Hab mich wohl geirrt. Musste ich wohl erst ein kleines, freches Appenzellerchen treffen um das zu erfahren.

Morgen seh ich sie wieder. Sollte ich ihr gestehen, was ich für sie empfinde?

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#16 Du hast dir ja wirklich Gedanken gemacht

«Hallo Ben, komm oh mein Gott!» Frau Richard, mein Vormund, steht im Türrahmen zu ihrem Büro und schaut mich entsetzt an. «Wie siehst du denn aus? Geht es dir gut? … bitte sag mir nicht, dass du dich wieder geprügelt hast. Wir hatten das doch schon.» «Mir geht es gut.» auf den Rest reagiere gar nicht erst. «Komm, setz dich.» Sie zeigt auf einen der Stühle an ihrem Bürotisch und läuft zu einem kleinen Beistelltisch mit einem Krug Wasser und ein paar Gläsern. «Möchtest du ein Glas Wasser?» Ich schüttle den Kopf und setz mich. «Na gut … erzähl mal. Wo kommen die Blutergüsse in deinem Gesicht her?» Sie sieht mich mit einem ernsten Blick an. «Ist beim Skaten passiert.» «Beim Skaten?» Frau Richard schaut mich skeptisch an. Ich nicke. «Und das soll ich dir glauben?»

Was will sie hören? Dass es gestern eine Gruppenschlägerei gab am Bucheggplatz? Und dann? Dann hält sie mir wieder einen Vortrag darüber, dass ich aufpassen muss, damit ich nicht aus der Wohngruppe fliege, weil die sowas nicht tolerieren können. Dass ich eh schon mit einem Fuss auf der Strasse bin wegen anderen Geschichten und bla bla… Ja ich weiss… Ist mir bewusst… Aber was soll ich denn machen? Wir haben die Schlägerei nicht angefangen. Aber das glaubt uns sowieso wieder keiner. Denn wir sind die verhaltensauffälligen Heimkinder und die anderen die Normalen. Wir sind immer schuld. Egal ob wir was getan haben oder nicht. Und ausserdem waren wir wirklich Skaten am Irchel. Also nur indirekt gelogen, nicht? «Ja. Wir waren Skaten.» «Ok … ich sehe, du willst nicht reden, dann lassen wir das. Wenn du der Meinung bist, dass dir das weiterhilft. Ich möchte nur, dass du weisst was auf dem Spiel steht, wenn du dich nicht an die Auflagen für die Wohngruppe hälst. Die Konsequenzen sind dir bewusst, oder?» Ich nicke. Frau Richard notiert irgendwas auf einen Block, legt den Stift zur Seite und schaut mich fragend an. «Und was gibt es sonst Neues im Leben von Ben? … ausser den Hämatomen und Schürfwunden im Gesicht.» «Weiss nicht…» «Wie läuft es in der Berufsschule?» «Ganz ok.» «Ihr kriegt bald Zeugnisse. Du weisst, dass ich die auch bekomme. Gibt es etwas, das ich wissen sollte?» «Nope.» «Und am Arbeitsplatz? Alles in Ordnung? Am 24. fällt wieder ein Standortgespräch mit deinem Ausbildner an. Gibt es da Themen, über die du gerne sprechen möchtest?» «Nope.» «Und wie läuft es mit deiner Freundin … Vanessa? … seid ihr noch zusammen?» «Larissa. Ja sind wir. Wir denken darüber nach zusammenzuziehen.» «Du willst raus aus der Wohngruppe?» «Irgendwie schon. Ich meine… die ist schon ok. Aber irgendwie nerven mich die anderen.» «Wie nerven die dich denn?» «Daniela zickt die ganze Zeit wegen irgendwas rum, Yasmine blockiert dauernd das Bad und Sven… ist einfach ein Spasst.» «Ich dachte eigentlich, dass du gerne in der Wohngruppe wohnst. Hast du mal versucht mit deinen Mitbewohnern zu reden darüber?» «Worüber? Dass ich sie nicht mag und sie mir auf den Sack gehen? Nein. Hab ich nicht. Die wissen das schon … die Wohngruppe an sich ist ja sonst ganz ok … Besser als im Heim.» «Soll ich mir das notieren und bei der nächsten WG-Sitzung ansprechen?» «Nope. Passt schon.» Frau Richard notiert sich wieder irgendwas. «Haben du und Vanessa denn schon konkrete Pläne bezüglich des Zusammenziehens?» «Larissa. Eigentlich schon. Aber wir haben noch keine Wohnung gefunden und ich muss von ihnen ja noch die Erlaubnis bekommen dann. Oder einfach ein Jahr warten, bis ich 18 bin.» «Wie wollt ihr euch denn eine Wohnung leisten? Dein Ausbildungslohn reicht da wohl kaum aus. Und sie? Verdient sie genug für eine Wohnung?» «Sie verdient gar nichts. Sie geht zur Schule und will dann an die Uni.» «Also ihr habt kein Geld, wollt aber eine Wohnung? Vielleicht solltet ihr das noch einmal überdenken. Meinst du nicht?» «Ich habe nachgefragt. Solange ich in Ausbildung bin, bekomme ich ja noch das Geld für meine Fixkosten und so. Auch wenn ich in eine private Wohnung umziehe. Das ist nicht sonderlich viel, aber reicht für ein paar Dinge. Für die Miete haben wir einen Deal mit ihrem Vater. Er übernimmt den Mammutanteil und ich steuere einen kleineren Teil zur Miete bei. Als Gegenleistung helfe ich ihm, den Garten umzugestalten diesen Sommer.  Und nächstes Jahr bin ich fertig mit der Ausbildung. Dann verdiene ich ja wohl etwas mehr. Dann wird ein neuer Plan gemacht.» Sie schaut mich verblüfft an. «Du hast dir ja wirklich Gedanken gemacht und geplant.» Ich nicke. «Gut Ben. Wenn das wirklich so funktionieren wird, hast du von meiner Seite grünes Licht … Ich sehe mich mal ein bisschen um wegen Wohnungen. Ist es möglich, dass ich mich mal mit ihrem Vater unterhalten kann? Nicht, dass ich dir nicht glaube, aber ich muss mich absichern, damit ich dich guten Gewissens ausziehen lassen kann.» «Klar doch. Reden sie mit ihm doch einfach am 24. darüber.» Frau Richard schaut mich etwas verdutzt an. «Am 24.?» «Jap. 24. … Sie erinnern sich? … Das Standortgespräch? … Mein Chef? … ist Larissas Vater.» «Oh… das wusste ich nicht.» Sie notiert wieder irgendwas. «Na jetzt wissen sie es ja. … kann ich dann gehen?» Frau Richard nickt. «Dann bis in 2 Wochen.» Ich stehe auf und gehe aus dem Büro. «Ben. Warte!» Ruft sie mir nach. «Wir müssen noch einen Termin abmachen für deine Buchhaltung.» «Ach.. ich bringe ihnen meine Einzahlungsbelege einfach am 24. mit.» «Nein Ben. So geht das nicht.» Den Rest von dem was sie sagt, höre ich nur noch als Gemurmel, weil ich gerade die Türe schliesse und schnell durch den Flur ins Treppenhaus gehe, bevor sie mir nachkommt.  

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#15 Kann ich aber nicht

Die Handknöchel meiner rechten Hand sind geschwollen, schimmern bläulichrot, schmerzen und die von Zeige- und Mittelfinger sind blutverkrustet.

Stechende Schmerzen in meinen Rippen bei jedem Atemzug. Ich zieh mein Shirt hoch und sehe die Hämatome und ein paar Schürfwunden auf meinem Brustkorb.

Ich trotte aus dem Schlafzimmer ins Bad. Mein Kopf schmerzt, mein linkes Auge ist blau und angeschwollen. Sehe ich gerade im Spiegel. „Fuck!“.

Wir waren gestern aus.

Eigentlich war alles gut. War mit Larissa im Club. Haben getanzt, getrunken und Spass gehabt. Bis irgendwann Goran mit ein paar seiner seiner Jungs aufgekreuzt ist.

Allesamt Spassten, die einen auf Gang machen und denken, die Stadt gehört ihnen. Richtig behindert. Wir alle haben „Boyz n the Hood“ gesehen. Aber denen hat der Film ins Gehirn geschissen. Das und die Musikclips auf MTV. Gangsta-Rap aus Übersee.

Klar, höre ich auch. Aber ich vergleiche Zürich nicht mit Haarlem oder Compton. Und vor allem komme ich nicht aus gut situiertem Umfeld und mache einen auf Strassengangster. Sag ja, richtig behindert sind die Vollidioten.

Na, jedenfalls sind die plötzlich da aufgetaucht. Habe sie erst bemerkt, als sie Larissa und mich einkreisten.

„Ben? Alles ok?“ Larissa hat sich ins Bad geschlichen. „Ja … geht schon. Tut mir leid. Habe ich dich geweckt? Wollte ich nicht.“ Larissa schüttelt den Kopf. „Magst du einen Kaffee? … Ich mach uns welchen.“ Ich nicke, lächle sie etwas verkrampft an und gebe ihren einen Kuss auf die Stirn, bevor sie in Richtung Küche verschwindet.

Ich gehe ins Schlafzimmer, zieh mich an und gehe auch in die Küche.

„Hier.“ Larissa hält mir eine Tasse mit frischem Kaffee hin. „Danke.“ Ich setze mich an den Küchentisch, während Larissa am Tresen lehnt. Wir sehen uns schweigend an und trinken unsere Kaffees. Larissa unterbricht die Stille. „Du musst zum Arzt und dann zur Polizei.“ Ich sehe sie fragend an. „Über den Teil mit dem Arzt können wir gerne reden … aber ich geh bestimmt nicht zu den Bullen.“ „Aber du musst die Arschlöcher doch anzeigen! Du wurdest von denen verprügelt! … wenn du es nicht machst, mach ich es.“ Eben war sie noch ruhig und entspannt und jetzt ist sie völlig aufgebracht. „Tu das bitte nicht Larissa … das bringt eh nichts … die kriegen dann vermutlich die Kappe gewaschen und ne Ohrfeige in Form irgendeiner kleineren Strafe oder so und dann, dann sind die noch wütender und hassen mich noch mehr … ausserdem weisst du genau, dass ich nicht mit Bullen rede und jemanden verpfeife.“ Larissa starrt in ihre Tasse und tigert in der Küche hin und her. Abrupt bleibt sie stehen, schaut mich an und ich sehe, wie ihre Augen wässrig werden. „Aber es ist das einzig richtige … Warum machst du immer das Falsche?“ Ich schüttle den Kopf. „Ich mache nicht das Falsche.“ Larissa läuft eine Träne über die Wange. „Doch Ben. Tust du.“ Ich steh auf und möchte sie in den Arm nehmen, aber Larissa stösst mich weg. „Lass mich.“ Sie wischt die Tränen weg, geht aus der Küche, setzt sich aufs Sofa, nimmt ein Kissen, drückt es sich ans Gesicht und schreit hinein.

Langsam nimmt sie das Kissen vom Gesicht weg und hält es fest in den Armen. „Es ist der Job der Polizei, sich um solche Dinge zu kümmern. Nicht?“ Sie schaut mich fragend an. „In dem Teil der Welt wo du herkommst vermutlich schon.“ „Was soll denn das jetzt heissen, der Teil wo ich herkomme?“ fragt Larissa wütend. „Na der Teil, in dem alles nach den Regelbüchern läuft. Dort wo alles sauber, gepflegt und der Rasen exakt 4 Zentimeter hoch zu sein hat … da lebt man. In Sicherheit, ruhig und satt. Putzt jedes Wochenende sein Auto, jeder kümmert sich um sich und wenn in dem Gehege irgendwas mal bisschen randaliert, übergibt man die Problemlösung dem Staat.“ „Dein Ernst? So siehst du das?“ „Ja. In etwa.“ Larissa steht auf, stellt sich vor mir auf hämmert mir 3 Mal auf die Brust. „Du bist so ein Idiot!“ Ich beiss mir auf die Zähne und versuche die Schmerzen zu unterdrücken. Nicht, dass sie sonderlich stark zugeschlagen hat. Aber so Schläge auf einen Bluterguss schmerzen ganz schön.

Larissa schaut mich vorwurfsvoll an. „Liebst du mich?“ Ich nicke. „Wenn du mich liebst, dann geh zur Polizei.“ „Das ist nicht fair.“ „Scheiss auf fair! Wenn du nicht alleine drauf kommst das Richtige zu tun, muss man dich eben zwingen.“ „Und wenn ich es nicht mache?“ Larissa senkt ihren Blick gegen Boden und nimmt einen tiefen Atemzug. „Dann muss ich wohl zurück … in meine Welt … Ich kann das nicht mehr. Ich komme nicht klar mit dieser ganzen Scheisse immer…“

Das ist wohl der Moment, in dem ich ihr sagen sollte, dass sie recht hat, ich ein Trottel bin und wir zusammen die Scheisse abhaken und ein neues Leben anfangen oder sowas … kann ich aber nicht

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#14 „Zieh dich an. Du musst uns fahren!“

„Darf ich reinkommen?“

Es ist spät. Wollte eigentlich gerade ins Bett, als die Hausglocke sturmgeläutet hat.

Edona steht vor der Türe. Ihr Make-up ist tränenverschmiert und sie zittert am ganzen Körper.

„Klar. Komm rein.“ Ich schliesse die Türe hinter ihr. Sie packt mich, schliesst ihre Arme fest um mich und weint. „Was ist denn passiert?“ frage ich sie, während ich meine Arme um sie lege. Edona antwortet nicht.

„Was ist denn hier los?“ Der unerwartete Besuch hat Larissa geweckt, die ihren Kopf aus dem Schlafzimmer streckt und uns fragend ansieht.

Ich schaue zu ihr rüber und zucke mit den Schultern.

Sie kommt auf uns zu und streicht Edona sanft über dem Rücken. „Hey, wollen wir uns auf Sofa setzen? … magst du einen Tee? … ich mach dir einen Tee.“ Larissa geht in die Küche. Ich löse meine Arme von Edona und wir gehen langsam zur Couch. „Kannst du mich bitte einfach wieder in den Arm nehmen?“ Erst jetzt sehe ich, dass ihr rechtes Auge blutunterlaufen ist und sie eine Schramme an der Wange hat. In dem Moment steigt Wut mit einem übermächtigen Druck in mir auf. Es fällt mir schwer ruhig zu bleiben. „Wie ist das passiert? Wer war das?!“ „Beruhig dich Ben.“ Larissa legt eine Hand auf meine Schulter und stellt die Tasse mit dem Tee vor Edona auf den Tisch. „Trink Süsse … und dann erzähl in aller Ruhe … wenn du möchtest.“

Edona setzt sich langsam aufrecht hin, greift nach der Tasse und nippt an dem frischen Tee.

„Ich hab dir doch von Michael erzählt. Ich war ihn besuchen.“ „Der Typ aus dem Kurs?“ „Ja, der…“

Michael ist ein Junge aus einem Kaff ausserhalb. Sie haben sich in einem Kurs der Berufsschule kennengelernt. Ich selber habe ihn erst ein Mal gesehen, als ich mich mit Edona nach diesem Kurs getroffen habe. Ein komischer Vogel. Aber fairerweise muss ich einräumen, dass ich das von sehr vielen Menschen denke die ich so treffe.

Edona erzählt uns was an diesem Abend alles passierte. Wie sie mit der S-Bahn da rausgefahren ist, dass sie in dem Haus wo er wohnt, im Keller zusammen was getrunken haben und eigentlich alles nach einem gemütlichen Abend aussah, bis 2 Kumpels von ihm aufgetaucht sind. Plötzlich geriet alles aus den Fugen. Sie fingen an sie zu beschimpfen als Zigeunerschlampe. Sie dachte erst, dass das einfach sowas wie deren Humor wäre und habe gekontert. Sie hörten aber nicht mehr auf sie weiter zu beleidigen und wurden immer ausfallender. Als sie aufstand und gehen wollte, wurde sie zurückgehalten. Sie haben sie rumgeschubst, betatscht und fortlaufend mit rassistischen Äusserungen beleidigt. Der eine hat sie dann festgehalten und versuchst seine Hand in ihre Hose zu stecken. Da hat sie ihn, so fest sie konnte, gebissen. Er liess ab, verpasste ihr eine Faust und sie knallte gegen die Wand. Das war der Moment in dem sie davonlaufen konnte. Sie sind ihr noch ein Stück nachgerannt, aber gaben irgendwann auf.

„ … und jetzt ist meine Tasche mit meinen Sachen noch da … und ich weiss nicht, was ich machen soll.“ Edona starrt apathisch die Tasse an, die sie fest in ihren Händen hält.

Die Wut in mir kochte weiter und weiter hoch, während Edona erzählt hat. „Wir sollten zur Polizei und die Arschlöcher anzeigen!“ meint Larissa, während sie einen Arm um Edona legt.

„Sag mir wo dieses Stück Scheisse wohnt!“ Ich steh auf, gehe ins Schlafzimmer und hole meine Kleider. „Nein! Beruhig dich!“ ruft Larissa mir hinterher. „Sag mir wo dieses Dreckschwein wohnt! Dafür werden die büssen!“ „Jetzt beruhige dich Ben! Das ist keine Lösung!“ schreit Larissa mich an. Edona sitz noch immer regungslos auf dem Sofa und starrt die Tasse an. „Keine Polizei.“ sagt sie leise. Larissa und ich schauen zu ihr. „Was hast du gesagt?“ fragt Larissa. „Keine Polizei.“ wiederholt sie.

Ich setze mich neben Edona und lege meinen Arm über ihre Schultern. „Dann sag mir wo er wohnt.“

Edona kramt einen Zettel aus ihrer Hosentasche. Darauf ist eine Telefonnummer, eine Adresse und unten rechts steht Michael mit einem kleinen Herzchen verziert.

Ich gebe Edona einen Kuss auf den Kopf, fahre ihr mit meiner Hand über den Rücken und stehe auf. Larissa stellt sich vor mich hin und legt mir ihre Hand auf die Brust. „Lass das. Bitte!“ Ich nehme ihre Hand und zieh sie von mir weg. „Nein.“ Ich zieh mir meinen Pullover über und ziehe mir meine Schuhe an. „Bitte Ben! Ich flehe dich an! Das ist keine Lösung! … du bekommst nur Ärger! Überlass das der Polizei. Bitte!“ Larissa hält mich fest. „Du hast sie gehört. Sie will nicht zur Polizei. Ausserdem, was machen die schon? Die unfähigen Bastarde.“ „Ich will nicht, dass dir was passiert! Verstehst du das denn nicht?“ Larissa fängt an zu weinen. „Es ist scheissegal was mit mir passiert. Niemand misshandelt meine Lieblingsmenschen. Niemand!“ Ich reisse mich von Larissa los und öffne die Haustüre. „Ich muss einfach … Du musst das verstehen.“ sage ich beim Rausgehen. „Ich verstehe es aber nicht!“ ruft Larissa mit hinterher.

Dann verstehst du es eben nicht, denke ich mir. Das spielt keine Rolle.

Ich warte an der Haltestelle auf die Tram und fahre mit, in Richtung Irchel.

Während ich dort durch das Quartier gehe, schwirrt mir pausenlos durch den Kopf, was diese Ratten, Edona angetan haben.

Ich klingle. Nochmal. Nochmal. Beim vierten Mal ertönt das Geräusch des Türöffners. Ich drücke die Türe auf und gehe in den 3. Stock. Mike, der Mitbewohner von Jasa, steht in der Türe. „Alter, was klingelst du denn hier so wild rum, wie so ein geistig behinderter Postbote?“ er lacht. „Fresse Kurwa! Ist Jasa da?“ „Chill Alter! Nicht so aggro, Dicker … ja der ist da … Jasa!“ ruft Mike in die Wohnung. Jasa kommt zur Türe. „Was schreist du denn hier so rum? Nen Plan wie spät es ist, Kurac?“ Jasa verpasst Mike einen Nackenklatscher. Während dieser seinen Hinterkopf reibt, schaut mich Jasa an „Wasn los Dicker?“ „Michael. Sagt dir was?“ Er sieht mich fragend an. „Welcher Michael?“ „Michael aus Edonas Berufsschule.“ „Ah der..“ „Er dachte, es wäre eine gute Idee, mit 2 Freunden deine Schwester zu erniedrigen und misshandeln … die sind fällig!“ Ich sehe wie sich die Kiefermuskulatur von Jasa anspannt und sich seine Nasenlöcher weiten, während er tief einatmet. „Die haben was?!“ er unterdrückt ein Schreien. Er schüttelt den Kopf. „Fuck! Fuck! Fuck!“ Jasa zieht sich Schuhe an und sagt zu Mike, der etwas überfordert im Türrahmen steht: „Zieh dich an. Du musst uns fahren!“ Mike zögert kurz, nickt dann aber. Er zieht sich ebenfalls an und wir gehen runter auf die Strasse zu Mikes Auto.

Während der Fahrt erzähle ich den beiden ins Detail alles, was ich von Edon darüber weiss.

In dem Kaff angekommen, parkt Mike den Wagen auf der gegenüberliegenden Strassenseite. „Endstation.“ Wir steigen aus. „Du bleibst hier Mike.“ sagt Jasa. „Was? Nein. Ich komme mit. Ben hat gesagt die waren zu dritt. Ihr könnt da nicht zu zweit rein.“ „Wir wollen dich da nicht mit reinziehen.“ „Hey! Ich kenne Edona auch! Und diese Schweine kotzen mich an! … Mir egal was ihr meint. Ich komme mit!“ Jasa schaut mich an. Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. „Na dann komm mit.“

Wir überqueren die dunkle Strasse. In den Haus brennt noch Licht. Jasa klingelt lange. Ein Typ öffnet die Türe. „Michael?“ fragt Jasa. „Äh.. Ja? Und ihr seid?“ Die Frage beantwortet Jasa umgehend mit einer gerade durchgezogenen Faust in sein Gesicht. Der Typ torkelt rückwärts ins Haus. „Jebem!“ schreit Jasa, geht ihm nach und verpasst ihm einen Tritt. Er fällt zu Boden. Ich hole aus und trete ihm in den Bauch. „Na?! Findest du das geil?! Stehst doch drauf! Gib es zu! Erniedrigung. Missbrauch. Quälen! Dass doch genau dein Ding! Skurvysyn!“ Mike schnappt sich einen Schirm von der Garderobe und zieht ihn damit eine über. „Liebe Grüsse von Edona du Drecksau!“. Ein Poltern ertönt hinter der einen Türe. Sie geht auf. 2 andere Typen stehen plötzlich im Flur. „Was ist denn hier.. oh scheisse!“ ruft der eine aus. Sie sehen uns erschrocken an und verschwinden wieder hinter der Türe. Man hört, dass sie sie von innen abschliessen und irgendein aufgeregtes Gemurmel. Ich hämmere mit der Faust gegen die Türe. „Macht sofort dieses scheiss Ding auf!“ brüll ich sie an.

Nichts tut sich.

„Mach Platz!“ Jasa drückt mich zur Seit und fängt an, gegen die Türe zu treten. Sonderlich stabil ist dieses Ding nicht. Nach ein paar Mal treten und sich dagegen Stürzen hat Jasa sie aufgebrochen. Wir gehen die Treppe runter und da stehen die zwei Anderen. „Hört zu. Keine Ahnung was ihr wollt von uns. Wir haben nichts getan.“ sagt der eine und kommt langsam ein paar Schritte auf uns zu. „wollt ihr Geld? Ich hab nicht viel, aber ihr könnt alles haben.“ Er wirft uns seinen Geldbeutel vor die Füsse. „Nichts getan? Ihr habt nichts getan?!“ Jasa fängt an zu lachen. „Das sehen wir anders!“ schreit Jasa ihn an, während er auch ihm eine verpasst. In diesem Moment rumpelt es über uns. „Drecksack!“ ruft Mike und rennt nach oben. In diesem Moment versucht der dritte Typ über ein Kellerfenster abzuhauen. „Hier geblieben, Kurwa!“ brüll ich und versuche ihn aufzuhalten, krieg aber nur einen seiner Schuhe zu fassen. Ich trete den Typ im Keller beim Vorbeirennen und laufe die Treppe hoch. Dort ist Mike mit diesem Michael beschäftigt. Ich sprinte raus, ums Haus rum und sehe wie der dritte davonrennt. So schnell ich nur kann, renne ich ihm nach. Ein paar Häuser weiter habe ich ihn eingeholt und trete ihm gegen ein Bein. Er fällt zu Boden. Er sieht mich verängstigt an, streckt mir seine Arme und Beine entgegen und fleht: „Bitte, bitte tu mir nichts! Ich habe dir doch nichts getan. Bitte, bitte … ich mach auch alles was du willst.“ „Nichts getan, ja? … Du erniedrigst andere Menschen. Du behandelst sie wie ein Stück Dreck und fühlst dich dabei wohl auch noch überlegen … Nein, du hast bestimmt nichts getan!“ schreie ich ihn an. In diesem Moment sehe ich die Bissspuren an seinem Linken Unterarm.

„Ich zeige dir jetzt wie sich das anfühlt, wenn man misshandelt wird!“

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Das Leben und Ben

#12 Und wie verklickere ich das jetzt den anderen, dass ich seit einer Weile den Feind date?

Ich weiss nicht genau was da zwischen Larissa und mir läuft, aber wir sind wohl jetzt zusammen. Sie ist 17. Ein Jahr älter als ich. Haben uns in dem Skateshop kennengelernt, in dem wir manchmal rumhängen. Der gehört Dan. Er ist ein voll korrekter Typ. Manchmal bekommen wir so Promo-Sachen von ihm geschenkt. Und er kann dir einfach alles auftreiben. Er hat mir das Flip Deck besorgt, dass ich bei Geoff Rowley in einem Magazin gesehen habe. Naja egal. Da habe ich sie jedenfalls kennengelernt. Ich sass vor dem Laden, hab Musik gehört und hantierte gerade mit meinem neuen Setup rum. Sie setzte sich zu mir und hat einfach nur zugesehen. Irgendwann kamen wir dann ins Gespräch. Bisschen über Skaten und Musik gequatscht. Sie gefiel mir und ich habe ihr sogar verziehen, dass sie Anti-Flag, die ich gerade gehört habe, mit ihrer Lieblingsband, NOFX verglichen hat. Wir verabredeten uns zum Skaten und jetzt wissen wir ja, wo das hingeführt hat. Zu meiner ersten, festen Freundin.

Gerade laufe ich durch den Kreis 8 und suche die Hausnummer, die sie mir angegeben hat. Ich bin zum Abendessen eingeladen. Ihre Eltern wollen mich kennenlernen. Und so langsam werde ich nervös. Sie hat mir schon gesagt, dass sie im Riesbach wohnt, aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Wie ich hier so lang laufe und ihrer Wegbeschreibung folge, werden die Häuser immer bonziger. Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier richtig bin. Es fühlt sich nicht so an. Aber da vorne ist das Haus. Die richtige Strasse und die richtige Nummer.

Ein letztes Mal tief durchatmen bevor ich klingle. Es dauert keine Minute und die Türe geht auf. Da steht Larissa und lächelt mir an. „Komm rein.“ Ich sehe nirgends ein Schuhgestell oder so. „Wo soll ich meine Schuhe hinstellen?“ frage ich sie, während ich mich bücke um sie auszuziehen. „Lass nur. Musst sie nicht ausziehen. Komm mit. Ich stell dich meiner Mutter vor. Mein Vater kommt etwas später.“ Ich nicke und gehe ihr hinterher. Irgendwie sieht für mich in diesem Haus alles alt und wertvoll aus. Wir gehen durch das Esszimmer, ich gehe wegen dem riesigen, gedeckten Tisch davon aus, dass es das Esszimmer ist, in die grösste Küche, die ich bis dato in einem privaten Haus gesehen habe. Im Ernst, ich kenne Wohnungen, die etwa so gross sind wie diese Küche. Es riecht ziemlich lecker nach Essen. „Mama?“ „Oh Hallo.“ Eine blonde Frau, ich schätze sie mal so um die 40, stellt ihr Weinglas neben der Spüle ab und kommt auf uns zu. „Du musst Ben sein. Herzlich willkommen Ich bin Felis.“ Sie lächelt, umarmt mich und gibt mir 3 Küsschen auf die Wangen zur Begrüssung. Sie riecht gut. Und sie scheint auch ganz nett zu sein. „Schätzchen, Papa hat gerade angerufen, er ist etwa in einer halben Stunde hier. Möchtest du ihm nicht das Haus zeigen in der Zwischenzeit?“ Larissa nickt und greift nach meiner Hand. „Komm mit.“ Sie zieht mich aus der Küche. Warum ich ihrer Mutter kurz zugewinkt habe beim Rausgehen? Keine Ahnung…

Larissa zeigt mir einen Raum nach dem anderen. Da wo ich herkomme, würden mehrere Familien auf soviel Platz verteilt wohnen. Das ist also Reichtum. Platz verschwenden.

In einem Zimmer haben sie voll viele Bücherregale. Und die sind vollgepackt mit Büchern. Ein paar so komische Sessel, wie ich sie ihn Filmen schon gesehen habe und mitten im Raum steht ein Billardtisch. „Spielst du Billard?“ „Manchmal… mit Freunden oder meinem Paps.“ Wir gehen weiter in das Wohnzimmer. Denke ich. Eine riesige Couch, eine Bar in einer Ecke und der grösste Fernseher, den ich ausserhalb eines Elektronikgeschäftes je gesehen habe. Auf derselben Etage ist noch ein Büro, da gehen wir aber nicht rein. „Das ist Tabu.“ meint Larissa. Wir gehen nach oben. Zwei Badezimmer, das Elternschlafzimmer, Zwei Gästezimmer und das „Atelier“ der Mutter. Sieht für mich aus wie ein Bastelzimmer. Aber Atelier klingt wohl einfach besser. Zu letzt zeigt mir Larissa ihr Zimmer. Damit kann ich was anfangen, denke ich. Ein Zimmer, dass auch meins sein könnte. Vorausgesetzt, ich wär ein Bonzenkind. Schicke Stereoanlage, ein Fernseher, Schrank, Regale, Pult, ein riesiges Bett und viele Poster an der Wand. „Hübsch.“ sag ich. „Gefällt dir mein Zimmer?“ fragt Larissa leicht verlegen. „Ja… Nur das mit dem Backstreet Boys Poster musst du mir noch erklären.“ ich lache. „Was denn? Darf ich nicht auch Backstreet Boys hören?“ sie grinst. „Klar. Du darfst die immer hören. Einfach nicht in meiner Gegenwart.“ Wir lachen.

„Larissa! Essen!“ ruft ihre Mutter hoch. Ich habe mich in der letzten halben Stunde wieder einigermassen entspannt, aber jetzt schiesst die Nervosität wieder rein. Ich werde gleich ihrem Vater begegnen. Ich bin nervös. „Hey, dein Vater… gibt es irgendwas, was ich auf keinen Fall sagen oder machen sollte?“ „Oh wie süss…“ Larissa grinst und kneift mich in die Backe. „Bist du etwa nervös? Ich dachte du bist immer so cool und gelassen… knuffig … mach dir keinen Kopf. Redet einfach nicht über Politik und Religion und sei einfach wie du bist. Komm jetzt.“ Wie ich bin? Wie bin ich denn? Darüber denke ich nach, während wir nach unten ins Esszimmer gehen. Ihr Vater sitzt am Tisch und mir stockt kurz der Atem, als ich ihn das erste Mal sehe. Fuck! Denke ich mir. Er sieht mich mit seinem strengen Blick an. „Na wen haben wir denn da?“ „Guten Abend… ich … ähm … ich hatte ja keine Ahnung…“ stammle ich. Larissa und ihre Mutter sehen uns fragend an. „Ihr kennt euch?“ „Seit über einem Jahr. Darf ich vorstellen, das ist Ben. Einer unserer Lehrlinge.“ Der Moment, wenn du an einem Ort bist, an den du gefühlt nicht hingehörst und realisierst, dass du die Tochter deines Chefs fickst… Jackpot.

Felis unterbricht das etwas peinliche Schweigen. „Setzt euch. Das Essen wird kalt.“

Das Essen bringe ich relativ angespannt hinter mich. Larissas Mutter hat sporadisch ein paar Fragen gestellt, die ich ihr kurz und knapp beantwortet habe. Ihr Vater und ich haben und konsequent ignoriert. Ein schrecklich ungemütliches Abendessen.

Ich ziehe es vor, nicht noch länger zu bleiben und verabschiede mich bei ihren Eltern und bedanke mich für den leckeren Braten. Larissa begleitet mich zur Türe. „Das haben wir doch halbwegs gut überstanden.“ Meint sie und lächelt. „Ja… überstanden.“ sag ich und versuche zu grinsen. „Sehen wir uns morgen?“ Ich nicke. Wir küssen uns zum Abschied und ich trotte los. „Ben! Warte kurz.“ ruft plötzlich ihr Vater hinter mir. Ich drehe mich um. Er schliesst die Haustüre hinter sich und kommt auf mich zu. „Hör zu, es tut mit leid, dass das etwas komisch war … ich war wohl genauso überrumpelt wie du … lass uns versuchen, Arbeit und privates zu trennen. Verstehst du was ich meine?“ Ich nicke. Auch wenn ich es nicht genau verstanden habe, was er mir versucht hat zu erklären. „Ich weiss, du bist ein guter Junge und Larissa mag dich anscheinend wirklich. Sie hat nur den besten Freund verdient, den es überhaupt geben kann … sei dieser Freund und alles ist gut.“ Ich schaue ihn an und nicke. Er gibt mir einen Klopfer auf die Schulter. „Komm gut nachhause.“ „Danke.“ Ich spaziere los. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das nett gemeint war oder ob er mir eine Drohung mit auf den Weg gegeben hat.

Eigentlich mochte ich reiche Menschen nie. Und jetzt habe ich plötzlich eine Freundin aus guten Haus. Eine Welt, in die ich irgendwie so gar nicht reingehöre. Dass sie die Tochter vom Chef ist, entspannt die Gegebenheiten auch nicht gerade. Toll… Und wie verklickere ich das jetzt den anderen, dass ich seit einer Weile den Feind date?

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Das Leben und Ben

#11 2b, da muss ich hin. 2. Stock, 3. Türe Links, haben sie gesagt.

Ich rolle auf meinem Skateboard in Richtung Schule. Heute ist ein richtig guter Tag. Gestern war ich mit meinem Onkel bei einem Polizisten und einer Frau vom Amt. Die haben mich voll viele Dinge gefragt. Habe ihnen alles erzählt, was in dem Dorf mit den Würfelhäusern so passiert ist und wie ich Vorgestern dann alleine wieder hergekommen bin. Und warum. Der Polizist war irgendwie komisch, aber die Frau war ganz nett. Sie hat mich nicht zurechtgewiesen und mir auch keinen Vortrag gehalten, weil ich abgehauen bin. Im Gegensatz zum Polizisten. Der war gar nicht begeistert. Es sei viel zu gefährlich so etwas zu machen und dass ich sowas nie wieder tun dürfe. Ach egal. Jetzt bin ich wieder hier, darf wieder in meine alte Schule, seh endlich meine Freunde wieder und nach der Schule geh ich mit Onkel Jan und der Frau vom Amt ins Heim. Ich darf wieder da hin und muss nie wieder zu der Pflegefamilie. Am liebsten würde ich zwar zu Onkel Jan, aber das geht halt nicht. Das sei kein guter Ort für Kinder zum aufwachsen meint das Amt wieder Mal. Ist ok. Ich komm klar im Heim. Jasa und Edona sind da. Und meinen Onkel kann ich ja besuchen.

Hab ich schon erwähnt, dass heute ein guter Tag ist? Auch wenn ich in eine neue Klasse komme. Anscheinend ist kein Platz mehr in meiner alten. Muss jetzt in eine Parallelklasse. Mal sehen wie das wird.

Ich rolle zwischen anderen Kindern durch, über den Schulhof zum Eingang, poppe mein Skateboard hoch, klemme es unter den Arm und suche mein neues Klassenzimmer. 2b, da muss ich hin. 2. Stock, 3. Türe Links, haben sie gesagt. Da ist es auch. Die Türe steht offen. Der Mann an dem Lehrerpult ist wohl mein neuer Klassenlehrer. Unterricht hat noch nicht begonnen. Bin heute ungewohnt zu früh dran wie es scheint. Ich hänge meine Jacke an der Garderobe auf und gehe ins Zimmer. „Das bleibt draussen, Junger Mann.“ meint der Lehrer und zeigt auf mein Board. Ich gehe raus, stecke es unter die Bank der Garderobe und trotte wieder ins Zimmer. „Du musst Ben sein. Ich bin Herr Roth. Der Platz da vorne ist noch frei.“ Er zeigt auf den Platz in der hintersten Reihe am Fenster. Ich setze mich dort hin und packe mein Schreibzeug auf den Pult.

Laut der Uhr im Klassenzimmer bin ich 10 Minuten zu früh. Langsam trudelt auch der Rest der Klasse ein und die freien Plätze füllen sich.

Die Schulglocke meldet sich. „Guten Morgen Kinder.“ sagt der Lehrer. „Guten Morgen, Herr Roth.“ antwortet die Klasse. „Kinder, ihr habt ab heute einen neuen Mitschüler. Ben, kommst du kurz vor und stellst dich der Klasse vor?“ Ich gehe zwischen den Pulten nach vorne zum Lehrer. Ein paar Mädchen schauen mit an und kichern. Vorne angekommen, drehe ich mich zur Klasse. „Hallo. Ich bin Ben.“ Die Mädchen von eben, kichern wieder. Der Grossteil sieht mich ganz normal, ein paar Andere eher komisch an. „Du bist doch eins von den Heimkindern.“ meldet sich ein Junge. „Mein Vater sagt, dass man sich vor euch in Acht nehmen soll.“ „Warum?“ frag ich ihn. „Jonas, das stimmt nicht, was dein Vater da behauptet.“ Geht Herr Roth dazwischen. „Aber meine Mutter sagt das auch. Ihr seid schlecht erzogen und gefährlich.“ Ich werde wütend und will gerade meinem Unmut, Luft verschaffen, aber Herr Roth reagiert schneller. „Das ist Humbug Jonas. Du wirst sehen, dass Ben ein ganz normaler Junge ist. Wie du … Nimm diese Bücher und setzt dich wieder an deinen Platz Ben … lasst uns mit dem Unterricht anfangen.“ Er hält mir ein paar Schulbücher hin. Ich nehme sie ihm ab und gehe zu meinem Platz zurück. „Ich glaube das nicht. Ich behalte dich im Auge, Heimkind.“ meint Jonas zu mir und schaut mich abschätzig an, während ich an seinem Platz vorbeigehe.

Neben und direkt vor mir sitzt jeweils ein Mädchen. Das eine blond, das andere brünette. Das blonde hat ganz glatte, lange Haare. Das brünette eher welliges, schulterlanges. Während ich mir noch ein paar Frisuren der restlichen Schüler anschaue, meldet sich Herr Roth zu Wort. „So, Kinder. Lasst uns mit einer kleinen Gruppenarbeit anfangen. Sucht euch einen Partner, lest die Geschichte auf Seite 13 in eurem Lesebuch und beantwortet dann zusammen die Fragen auf diesem Blatt … Gebt die bitte weiter nach hinten durch.“ Er gibt den Schülern in der vordersten Reihe jeweils einen kleinen Stapel und die Blätter kursieren von Pult zu Pult. Das brünette Mädchen dreht sich zu mir und reicht mir ein Blatt. „Hey, möchtest du das mit mir machen?“ Sie lächelt. „Ja, ok.“ sag ich. Sie steht auf und kommt zu mir ans Pult. „Rutsch mal rüber.“ Sie stupst mich an. Ich rutsche auf meinem Stuhl so, dass sie sich zu mir setzen kann. Sie nimmt ein Buch von meinem Stapel und Blättert zu Seite 13. Die Geschichte vom hohlen Baum.

Ich bin fertig mit Lesen und nehme das Blatt mit den Fragen. „Bist du schon fertig mit Lesen?“ fragt sie mich. „Äh.. Ja.“ „Krass. Du bist ja voll schnell … ich bin nicht so schnell. Tut mir leid.“ Sie lächelt nicht mehr. „Na und? Das ist doch egal, wie schnell man lesen kann.“ „Geht so… ein paar machen sich immer lustig darüber.“ „Ich nicht. Mir ist das egal.“ Jetzt lächelt sie wieder. „Danke.“ „Bitte … aber du solltest jetzt wohl trotzdem lieber noch zu Ende lesen.“ „Ja.“ sie schaut wieder ins Buch. Mit ihrem Zeigefinger rutscht sie ganz langsam von Wort zu Wort. Sie ist wirklich voll langsam, denke ich. Irgendwann ist sie dann fertig und wir fangen an den Fragebogen zu beantworten. Voll die einfachen Fragen. Aber egal. So ist halt Schule. Keine Herausforderung für mich. Der Schulstoff zumindest. „Darf ich dich was fragen?“ „Ja, was denn?“ „Stimmt das was Jonas sagt? Dass Heimkinder gefährlich sind, mein ich.“ „Das ist totaler Käse. Jonas ist ein Idiot. Und seine Eltern auch.“ „Dachte ich mir … du scheinst nämlich ganz nett zu sein … und ja, Jonas ist schon ein Idiot.“ Sie rückt ein bisschen näher an mich ran und flüstert mir ins Ohr. „Ich mag dich.“ Sie steht kichernd auf und geht zurück zu ihrem Platz. Ich bin gerade etwas überfordert. Ein leichtes Kribbeln macht sich in meinem Brustkorb breit und ich merke, wie mein Gesicht irgendwie wärmer wird. „Schaut euch den Tomatenkopf an!“ ruft Jonas und zeigt auf mich. In der Klasse bricht schallendes Gelächter aus. „Ruhig! Kinder! Man lacht andere nicht aus!“ Versucht Herr Roth die Klasse wieder zu beruhigen. Am liebsten würde ich im Boden versinken.

Die Klasse hat sich wieder beruhigt und der Unterricht geht weiter, bis sich die Schulglocke zur grossen Pause meldet. Mit allen anderen gehe ich aus dem Klassenzimmer und will raus auf den Pausenhof. Jasa und Edona suchen. Plötzlich greift jemand von hinten meine linke Hand. „Hey Ben. Warte.“ Es ist das brünette Mädchen mit dem welligen Haar. Sie schaut mich mit ernster Miene an und sagt „Ich habe nicht gelacht.“ „Das weiss ich. Danke.“ Sie hält noch immer meine Hand. „Dann ist ja gut.“ Jetzt lächelt sie wieder. „Sag mal, wie heisst du eigentlich?“ „Sandra.“ Ich bin mir nicht sicher, aber ich lächle glaube ich auch gerade. Und da kommt dieses Kribbeln wieder über meinem Magen. Ich muss eingreifen, bevor ich wieder zum Tomatenkopf werde! „Hey, ich wollte eigentlich meine Freunde suchen gehen. Kommst du mit? … also du musst nicht … wenn du zu deinen Freunden gehst ist das auch ok.“ stammle ich vor mich hin. Fehlschlag. Da ist wohl der Tomatenkopf wieder. „Du bist doch jetzt auch mein Freund oder? Ich komme mit.“ Sie hält noch immer meine Hand und wir laufen die Treppe runter zum Pausenplatz. „Hey Ben!“ höre ich jemanden rufen. Die Stimme kommt mir bekannt vor. Ich drehe mich um und sehe, wie Edona auf mich zu rennt. Sie rammt mich fast um mit ihrer freudigen Umarmung. Sandra lässt meine Hand wieder los. Das fühlt sich richtig gut an, Edona nach so langer Zeit endlich wieder zu sehen. „Wie geht es dir? Wo warst du? Was ist passiert? Oh, du musst mir unbedingt alles erzählen! … ich freu mich so, dass du wieder hier bist. Was für eine Überraschung!“ Edona lacht und drückt mich immer wieder. „Ihr habt mir gefehlt.“ Vor Freude drücken Tränen in meine Augen. „Wo ist denn Jasa?“ „Der liegt mit Grippe im Bett. Aber wenn der hört, dass du wieder da bist, wird der sicher gleich wieder gesund.“ Edona lacht. „Das kann ich ihm heute Abend selber sagen.“ „Was? Kommst du wieder zurück ins Heim?“ Ihr eben noch freudiges Lachen weicht einem leicht betrübten Gesichtsausdruck. „Hey, alles gut. Das Heim ist besser, als da wo ich vorher war.“ Edona lächelt wieder. „Oh hey, das ist übrigens Sandra. Sie ist in meiner Klasse.“ „Aha.. Sandra.“ Edona mustert sie gründlich. „Freut mich, dich kennenzulernen Edona.“ sagt Sandra. „Äh ja. Hallo.“ antwortet Edona etwas schnippisch. Ich habe absolut keine Ahnung was hier gerade los ist. „Komm. Wir gehen hinters Schulhaus. Du musst mir voll viel erzählen.“ Edona packt meine Hand und will mich wegziehen. „Ja klar … komm mit Sandra.“ Sandra schaut mich verunsichert an. „Na komm schon mit Sandra.“ meint Edona mit einem tiefen Seufzer.

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#10 jetzt, wo sich mein Kreislauf wieder etwas gefangen hat, steigt dieses flaue Gefühl wieder meinen Magen hoch.

„Scheisse Alter! Lass uns abhauen! Komm schon!“ schreit Jasa und versucht mich an meinem Pullover von Goran runter zu zerren.

Ich hatte wohl einen Aussetzer. Ich weiss noch, dass ich Goran eine verpasst habe, aber ich kann mich nicht daran erinnern was zwischen meinem Box und dem jetzt passiert ist. Ich knie über ihm und sein Gesicht ist blutverschmiert. Meine rechte Hand auch. Was habe ich getan?! Jasa zerrt noch immer an meinem Pullover. „Mach hin! Komm jetzt!“ Ich stehe langsam auf, schau zu Jasa, der mich weiter anbrüllt und dann wieder zu Goran. Wie er regungslos da liegt. „Scheisse Mann … ist der tot?“ Ein flaues Gefühl überkommt mich. Ich glaube, ich muss gleich kotzen. „Nein, der Kurac lebt schon noch. Komm jetzt endlich. Lass uns hier abhauen! Wenn du nicht kommst, lass ich dich hier alleine stehen!“ schreit Jasa mich an. Ich seh mir Goran nochmal an. Sein Brustkorb bewegt sich. Also atmet er noch. Ich schaue zu Jasa, der gerade ansetzt um davon zu laufen. Ich seh mich kurz um. Weit und breit keiner zu sehen ausser uns. Ich zieh mir meine Kapuze über den Kopf und renne ebenfalls los.

Es muss irgendwas nach 23.00 Uhr sein. Abgesehen von ein paar Lichtern in dem Quartier ist es dunkel. Von der Kälte, zieht ein stechender Schmerz durch meine Lunge bei jedem Atemzug. Jasa hat gute 50 Meter Vorsprung. Wir rennen in Richtung Stadt runter.

Gegenüber vom Platzspitz hält Jasa an und beugt sich über das Geländer zur Limmat. Ich hole ihn ein, bleibe ebenfalls stehen und stütze mich am Geländer ab. Erst einmal verschnaufen. „Alter … was zum Teufel … war das gerade?“ Wir sind beide völlig ausser Atem. „Alter … ich weiss es nicht … ich … keine Ahnung was da passiert ist.“ „Ich hatte voll Panik, dass du den gleich umbringst … nicht falsch verstehen … er ist ein dreckiger Hurensohn … und juckt mich nicht, wenn der abkratzt … aber ich will nicht, dass wir jemanden töten, ja.“ Langsam stellt sich wieder eine normale Atmung ein bei uns. „Alter, ich will auch niemanden umbringen. Irgendwie hab ich voll ausgeklinkt. Ich erinnere mich echt nicht mehr, was ich getan habe … als du an mir rumgezerrt hast, bin ich irgendwie wieder zu mir gekommen. Das war voll der kranke Scheiss!“ „Voll der kranke Scheiss.“ Jasa nickt. „Scheisse Mann, was machen wir denn jetzt? Sollen wir einen Krankenwagen rufen oder so? … wenn der da lange liegt, krepiert er vielleicht wirklich.“ Ich bin gerade total überfordert und jetzt, wo sich mein Kreislauf wieder etwas gefangen hat, steigt dieses flaue Gefühl wieder meinen Magen hoch. „Ja, lass uns einen Krankenwagen rufen. Hurensohn hin oder her. Wir sind keine Mörder, ja. Der Kurac soll nicht wegen uns sterben.“

Wir gehen über die Strasse in ein Restaurant und beim Reingehen fällt mir auf, dass meine Hand ja noch immer blutverschmiert ist. Das sieht auch die Kellnerin und kommt sofort auf mich zu. „Oh mein Gott! Was ist denn mit dir passiert? Geht es dir gut?“ Sie greift nach meiner Hand um sie sich anzusehen. Ich zieh sie sofort weg und versuche sie in meinem Pullover zu verstecken. „Ich ähm… ich habe mich verletzt. Darf ich kurz ihr Telefon benutzen?“ Sie schaut uns etwas skeptisch an. Aber wenn ich ihr meine Hand gezeigt hätte, hätte sie bestimmt gesehen, dass das Blut nicht von mir ist. „Ok. Du kannst kurz telefonieren. Komm mit.“ Sie läuft vor, durch einen Flur, in einen Raum, der laut Schild, nur für das Personal bestimmt ist. „Da ist das Telefon. Halt dich kurz. Ich muss wieder nach vorne zu den Gästen.“ „Ja ich beeil mich. Danke.“

Sie verlässt den Raum und ich wähle den Notruf. Ich geb denen die Adresse und sag ihnen, dass ein verletzter Junge da liegt. Die Frau am anderen Ende der Leitung wiederholt die Angaben und ich bestätige. Als sie fragt, wer denn am Apparat ist, teile ich ihr mit, dass das unwichtig ist und sie sich einfach beeilen sollen. Ich hänge den Hörer auf, bevor sie noch weitere Fragen stellen kann.

Ich verlasse den Raum, gehe zur Toilette nebenan und wasche meine Hände. Das alles nur, weil der Wichser uns bei seiner Mutter verpfiffen und die uns die Bullen und unsere Heimleitung auf den Hals gehetzt hat. Weil das Muttersöhnchen seinen Arsch retten wollte, als seine Mom, Gras bei ihm gefunden hat. Man verpfeift niemanden einfach so! Aber warum hat uns das überhaupt verwundert. Er ist keiner von uns. Ehrenloser Hundesohn. Immer die Fresse aufreissen und einen auf harten Ficker machen, aber wehe Mama erwischt dich mal. „Spasst!“ murmle ich vor mich hin, trockne meine Hände ab und gehe wieder nach vorne ins Restaurant. Ich schau zu Jasa, der am Tresen lehnt und nicke ihm zu. „Vielen Dank. Meine Mutter kommt uns gleich abholen.“ lüge ich die Kellnerin an und verlasse das Lokal. Jasa verabschiedet sich mit einem kurzen Winken und kommt mir nach.

„Kippe?“ Jasa holt eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hosentasche und hält sie mir hin. „Wo hast du die denn her?“ „Na, die lagen da rum. Als ihr zwei nach hinten gegangen seid, hab ich sie eingesteckt. Willst du jetzt eine oder nicht?“ Er holt sich eine raus und streckt mir die Packung wieder hin. „Klar.“ Ich nehme mir eine raus und zünde sie an.

Wir spazieren der Limmat entlang nachhause. „Denkst du, Goran wird uns wieder verpfeifen?“ fragt Jasa. „Was denkst du denn? … wenn der Hund überlebt, wird er das mit Garantie. Skurwysyn…“ „Bestimmt, Kurac. Ehrenloser Bastard … meinst du, dann landen wir im Jugendknast oder so?“ „Nein… war doch Notwehr. Er wollte auf uns los, weil er sauer war, weil seine Mutter ihn bestraft hat oder sowas.“ Jasa legt seinen Arm um mich und grinst. „Stimmt. Ganz vergessen. War ja Notwehr.“

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#9 Dieses Bild muss man sich mal geben. Erwachsene Männer liegen völlig verpeilt auf einem Sofa.

Ich sitze auf dem Sofa und beobachte den Typen, der etwa einen Meter neben mir völlig weggetreten irgendwelches Zeug murmelt. Jasa reicht mir seinen Joint. Ich nehme einen tiefen Zug und geniesse den Duft des Rauches. Er überlagert diesen komischen, eklig süsslichen Geruch im Wohnzimmer von Tim. Tim ist der Typ, der gerade mit einem Feuerzeug, das Zeug auf seiner Alufolienkonstruktion zum dampfen bringen will. Den Dampf ein paar mal tief einatmen und kurze Zeit später ist man Tschüss. Das hab ich bei dem Murmel-Typ vorhin gesehen. Und jetzt macht Tim es ihm gleich.

Schwierig, aber ich schätze die so um die 30 Jahre alt. Locker das Doppelte von uns.

Eigentlich sind wir nur hier, weil wir was für Onkel Jan abholen sollten. 300.- um genauer zu sein.

Davon haben wir genau 200.- gekriegt. Nicht unser Problem. Um den Fehlbetrag kümmern sich später dann andere.

Nur weil sie uns was zu Rauchen angeboten haben, sind wir noch hier. Sie hätten uns auch nen Hit abgegeben. Aber bei dem Junkiescheiss machen wir nicht mit.

Dieses Bild muss man sich mal geben. Erwachsene Männer liegen völlig verpeilt auf einem Sofa. Der eine starrt die Decke an und murmelt nach wie vor vor sich hin. Der andere hat die Augen geschlossen und atmet voll schnell.

Ich drücke den Joint aus. „Lass uns abhauen Jasa. Von dem Geruch wird mir langsam schlecht …. und von den Typen auch.“ Jasa steht auf, läuft zum Fenster und öffnet es. „Alter, die sind ja mal komplett weggetreten … dämliche Junkies … meinst du, dass sie wissen, dass sie am Arsch sind, weil sie uns nicht die ganze Kohle gegeben haben?“ Ich schüttle den Kopf. „Denke nicht.“ Jasa nimmt eine Zigarettenschachtel vom Tisch und steckt sie ein. „Hey Ben. Wenn wir eh hier sind und die nichts mitkriegen, lass mal kucken, ob die ausser Kippen noch was anderes haben, was brauchbar ist.“ Ich nicke.

Ein paar Päckchen Gras habe ich gerade eingesteckt und überlege, ob ich das hässliche Zeug der Typen auch mitnehmen soll. Jasa, der in der Zwischenzeit in einem anderen Raum verschwunden ist ruft. „Ben! Komm her!“ Ich werfe die anderen Grips auf den Tisch zurück und geh zu Jasa. „Kuck! Decks!“ freudig streckt er mir zwei Skateboard Decks entgegen. „Welches willst du? … ich will das blaue.“ „Mir egal. Beide cool.“ antworte ich und greife nach dem schwarzen. Es hat eine Rose und einen Totenkopf drauf. „Oh! Meins!“ ruf ich und schnapp mir den Discman, der hinter ein paar Zeitschriften auf dem Boden liegt. „Ah fuck! … den hab ich gar nicht gesehen.“ meint Jasa etwas enttäuscht. „Ach, was haben wir denn hier?“ Jasa bückt sich nach einer kleinen Schatulle neben der Matratze und öffnet sie. Er greift rein und ein Bündel Geldscheine kommt zum Vorschein. „Wieviel ist das?“ will ich wissen. Jasa löst das Gummiband ab und zählt das Geld. Währenddessen gehe ich zurück um nach den Typen zu sehen. Scheinen sich nicht bewegt zu haben. „Yo! Die sind noch immer Banane!“ ruf ich nach drüben zu Jasa. „280 Tacken!“ ruft dieser zurück. „90.- für jeden.“ antworte ich ihm. „Genau.“ meint Jasa, der gerade wieder nach vorne kommt. „hier.“ er streckt mir Geld hin. Ich nehme es und verstaue es in meiner Hosentasche. „Lass uns abhauen und Onkel Jan die Kohle bringen.“ „Moment.“ Jasa geht zu Tim und tastet seine Hosentaschen ab. Er greift in eine rein. „Ein Feuerzeug.“ Er geht zum anderen rüber und macht dasselbe bei ihm. „Brieftasche … leer … noch ein Feuerzeug … mau.“ In diesem Moment greift der Typ nach Jasas Arm. „Lass los du Pisser!“ Jasa schüttelt die Hand des Typen ab. Dieser brabbelt irgendwas unverständliches. „Hauen wir ab.“

Wir laufen im Treppenhaus nach unten. „Die werden ganz schön sauer sein, wenn die wieder runterkommen und realisieren, was passiert ist.“ Jasa lacht. Ich muss auch lachen „Bestimmt! … aber eigentlich können sie es als Provision für uns betrachten. Schliesslich retten wir ihnen gerade den Arsch, weil wir die kompletten 300.- übergeben.“ „Hach, wir sind schon nette Jungs.“ Jasa lacht und hüpft die restlichen Stufen runter. „Die netten Nachbarjungs. Die guten Seelen des Kreises.“ lach ich und gehe Jasa nach.

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#7 Noch so ein Ort auf dieser Welt, wo wir nicht hingehören.

Mit Skateboard an den Rucksack geschnallt und Ghettoblaster unterm Arm, steh ich ganz hinten im Tram.

Ich will zur Uni hoch. Nicht, dass ich da studieren würde. Ich mache eine Ausbildung im Detailhandel. Ich will da hin zum Skaten.

Jasa und Goran sollten schon da sein.

Ich konnte nicht eher. Musste noch einem Betreuer unserer WG, meine Zahlungsbelege vorlegen. Hätte sonst wieder Sanktionen gehagelt.

Jetzt nicht falsch verstehen, diese betreute Wohngruppe ist ganz ok. Verpflichtungen finde ich halt einfach anstrengend.

Neumarkt. Ich muss raus und schlendere die Künstlergasse hoch, am Hauptgebäude der Uni vorbei.

Ich seh die beiden etwa 50 Meter vor mir. Jasa wurstelt irgendwas an seinem Board rum und Goran unterhält sich mit einem älteren Mann.

Beim Näherkommen merke ich, dass die sich nicht einfach unterhalten, sondern streiten.

„Lassen sie uns doch einfach hier bisschen rumfahren. Wir machen doch nichts Schlimmes.“ sagt Goran zu dem Alten. „Nein! Es ist verboten hier mit Rollbrettern rumzufahren. Ihr macht hier alles kaputt damit!“ Jasa atmet tief durch und prustet gelangweilt die Luft wieder aus. Goran wirkt ziemlich angepisst. Der Alte weist mit seiner Hand weg vom Platz und schimpft Goran an. „Geht jetzt oder ich rufe die Polizei!“

Mittlerweile stehe ich auch da. „Was ist denn los?“ will ich wissen.

Jasa steht auf, wirft sein Skateboard auf den Boden und rollt hinter mir, an uns vorbei. „Der nette Herr hat uns gesagt, dass wir hier nicht rumfahren dürfen.“ Er lacht laut, während er zum Sprung die Treppe runter ansetzt.

„Das reicht! Ihr wolltet es nicht anders. Ich rufe jetzt die Polizei!“ schreit der Alte während er davonläuft. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube er murmelt im Davonlaufen noch irgendwas wegen der heutigen Jugend vor sich hin.

Jasa läuft gerade die Treppe wieder hoch. „Was jetzt? Verduften bevor die Schlümpfe kommen?“ „Na besser wärs..“ meint Goran. „Toll. Dafür bin ich jetzt hier hochgekommen? Es kotzt mich an. Praktisch überall in dieser Stadt, wo wir gerne skaten, wird man weggeschickt.“ „Willst du etwa auf die Bullen warten?“ will Goran wissen. Ich schüttle den Kopf. „Bestimmt nicht … aber den Leap nehm ich noch mit.“

Ich mach mein Skateboard vom Rucksack los und leg ihn neben den Ghettoblaster auf den Boden.

„Warte!“ hält mich Goran auf. „Nen 10er in den Topf für den, der einen 360 Kickflip steht.“ Goran grinst selbstsicher. „Du weisst schon, dass wir den mittlerweile auch können? … ausserdem hab ich nur 5 in der Tasche.“ „Na ok. Dann zeigt was ihr könnt. Jeder 5 in den Topf. Jasa?“ Jasa winkt ihn ab. „Alter. Blind steh ich den du Kurac … hier meine 5.“ Jasa hält Goran einen 5er hin. Ich kram mein Kleingeld zusammen und gebe es ebenfalls ab. Goran zieht sein Cap aus, legt unseren und seinen Einsatz rein. „Dann los Jasa. Zeig deinen blinden Trick.“ Goran lacht. „Warts ab!“ Jasa pusht los in Richtung Treppe, zieht durch und wir sehen kurz vor der Landung schon, dass das so nichts wird. Jasa legt sich hin. Wir warten auf ein Zeichen von ihm. Jasa streckt eine Faust in die Luft. „Voll auf die Fresse gelegt!“ Goran lacht sich futsch. „Was auf die Fresse gelegt. Bail. Du Hurensohn!“ Jasa rappelt sich auf und wischt sich Dreck von seinen Kleidern. „Nicht mal ne Schramme, ha!“ Jasa zeigt Goran den Mittelfinger. „Zeigen sie mal ob sie es besser können Madame.“ Jasa macht einen Knicks und macht den Weg frei für Goran. „Jebemti Majku!“ beleidigt er Jasa und rollt in Richtung Treppe.

Wie zu erwarten hat es bei ihm geklappt. Goran ist 2 Jahre älter als wir und skatet auch etwa so viel länger. „War aber ganz schön sketchy.“ meint Jasa und grinst. „Am Arsch war das sketchy. Das war so sauber wie nur möglich, du Kurac.“ Goran wirkt leicht angepisst.

„Goran, das Quitschen hat man bis nach Wollishofen gehört.“ sag ich.

„Bullshit! … aber wenn du nicht mehr willst, musst du nicht mehr Ben. Ich hab ja eigentlich schon gewonnen.“ lacht Goran hämisch. „So eine Scheisse. Wenn ich den sauber stehe, gehört die Kohle mir!“ ruf ich und pushe an.

Ollie, 360 Kickflip, ich spüre diesen kurzen Adrenalinschub, geh bei der Landung tief in die Knie und rolle ein paar Meter davon.

„Safe!“ schreit Jasa und hüpft freudig um Goran rum. „Sowas von clean! Eingesackt, Alter! Haha!“

Goran wirkt angepisst. Normalerweise ist er derjenige, der auf Sicher alle Tricks steht, die wir noch üben.

„Shit! Die Bullen!“ schreit Jasa. Tatsächlich spazieren gerade, in etwa 200 Metern Entfernung, zwei Polizisten in unsere Richtung.

„Lass abhauen.“ sagt Goran, schnappt sich seine Sachen und fährt los. „Jeder für sich! Man sieht sich Jungs!“

Wir sehen, wie die Polizisten anfangen schneller zu laufen. „Halt! Wartet Jungs!“ rufen sie uns entgegen.

Jasa und ich sehen uns an, nicken, packen unsere Sachen und hauen ebenfalls ab. Jasa rennt über das Unigelände weg. Ich den Weg entlang, über den ich gekommen bin.

Klar ist die Aktion übertrieben. Die hätten uns vermutlich nur einen Vortrag gehalten und uns weggeschickt. Aber so ist halt mehr Action für uns. Plus, wer will sich schon mit Polizisten unterhalten, wenn es sich umgehen lässt?

Ich steig am Neumarkt wieder ins Tram und lass mich wegchauffieren.

Nach 2 Haltestellen sehe ich, wie Jasa etwas weiter vorne einsteigt. Er sieht mich und kommt durch das Tram zu mir nach hinten. „Das war amüsant.“ Er grinst. „Ja das war witzig.“ antworte ich ihm. „und komplett unnötig.“ Wir lachen.

„Skurwysyn! Goran ist mit meiner Kohle abgehauen.“ fällt mir gerade ein. „Stimmt! … Kurac! … der ist bestimmt nachhause. Lass ihn besuchen. Der wird sich freuen.“ Ich nicke. „Lass uns Goran besuchen.“

Goran wohnt in Höngg. In einem Einfamilienhaus mit seinen Eltern und Geschwistern.

Die haben nen Garten mit Pool, nen Partykeller und Goran hat ein eigenes Zimmer. Sein Vater ist Architekt, glaube ich und seine Mutter arbeitet an der ETH. Sowas hat er zumindest mal erzählt. Abgesehen von Skateboard und Musik, haben wir eigentlich kaum was gemeinsam. Bin mir auch nicht sicher, ob ich Goran als Freund bezeichnen würde.

Klar, wir treffen uns manchmal zum Skaten und soweit ist das auch alles cool. Aber eben…

An seinem letzten Geburtstag hatte er uns eingeladen. Poolparty. War eigentlich auch ganz gut, bis seine Mutter uns rausgeworfen hat.

Da war dieser eine Kumpel von Goran. Ein ekliges, überhebliches Arschloch. Er hielt es für eine gute Idee, uns permanent anzupöbeln. Unter anderem hat er Edona als Zigeunerschlampe betitelt und wir seien sowas wie der Abfall der Gesellschaft bla bla bla.

Es gibt da dieses Sprichwort: Hunde, die bellen, beissen nicht. Das kann sein. Aber manchmal werden die Hunde, die bellen, gebissen.

Ich habe ihm die Nase gebrochen. Goran ging dazwischen und seine Mutter hat uns aus dem Haus gejagt.

Scheiss Bonzenkinder!

Noch so ein Ort auf dieser Welt, wo wir nicht hingehören. Aber Geld ist Geld. Darum überqueren wir gerade die Strasse bei der Bushaltestelle und laufen auf das Haus zu.

Jasa klingelt.

Gorans Mutter öffnet die Türe und schaut uns leicht verdutzt an. „Hallo zusammen … was wollt ihr denn hier?“ „Ist Goran da?“ frag ich. „Ja, der ist da. Was wollt ihr von ihm?“ Sie sieht uns etwas misstrauisch an. „Können wir zu ihm oder kann er kurz rauskommen?“ ignoriert Jasa ihre Frage. „Einen Moment.“ Sie schliesst die Türe. Von draussen hören wir, wie sie nach Goran ruft. Dem Geräusch nach zu urteilen, kommt der auch gerade die Treppe runter. „Was machen die beiden Unruhestifter hier? … ich hab dir doch gesagt, dass die nicht erwünscht sind bei uns. Mach, dass die wieder gehen! Ich will die nicht hier und du sollst dich doch auch nicht mit denen abgeben!“ Ich bin mir nicht sicher ob ihr bekannt ist, dass man vor der Türe ziemlich deutlich versteht, was sie dahinter reden…

Goran öffnet die Türe, kommt raus und schliesst sie gleich wieder hinter sich. „Scheisse Jungs. Was macht ihr denn hier? Ich dachte, nach der Party wäre klar, dass ihr hier nicht mehr einfach aufschlagen sollt?“ Goran wirkt leicht nervös.

„Yo, chill Alter. Wir wollen nur die Kohle.“ sag ich ihm. „Kohle? Welche Kohle?“ Er schaut mich fragend an. „Na, die 15.- die du ihm schuldest Kurac.“ antwortet ihm Jasa. „Was? Wegen 15.- seid ihr extra hierher gekommen? Die hätte ich dir doch auch ein anderes Mal geben können. Meine Mutter ist gerade voll angepisst wegen euch…“ „Ja das haben wir mitgekriegt.“ sag ich. „Klar hättest du es mir ein anderes Mal geben können. Aber wir wollen es halt heute. Also, her damit.“ Ich strecke ihm die Hand hin. „Der ganze Aufwand wegen dem bisschen Geld?“ Goran schüttelt den Kopf und kramt in seiner Hosentasche. „Du hast echt keine Ahnung. Mit dem Geld esse ich 2, 3 Tage…“ Goran sieht mich leicht überfordert an, während er mir das Geld gibt. „Hach… schöne gerechte Welt…“ sagt Jasa mit zynischem Unterton. „Bis dann Richie Rich.“ grinst Jasa und zeigt Goran den Mittelfinger. „Man sieht sich.“ sag ich und wir beide wenden uns von Goran ab. „Ja, bis dann.“ sagt Goran. Und ich gehe schwer davon aus, dass wir hinter uns einen Mittelfinger sehen würden.

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Das Leben und Ben

#6 Ach, die sind uns bestimmt nicht mal 10 Meter weit nachgelaufen.

„Eine Spraydose, schwarz. Eine Spraydose, silber …“ während der eine Polizist den Inhalt meines Rucksacks, einen Gegenstand nach dem anderen, vor sich auf den Tisch legt, notiert die Polizistin neben ihm diese auf ihrem Formular.

Jasa sitzt neben mir. Wir versuchen gelassen und entspannt zu wirken. Wenn ich ehrlich bin, ich bin scheisse nervös.

„Was ist das?“ Er hält uns ein Autoradio vor die Nase.

„Wonach sieht es denn aus Herr Polizei.“ Antwortet ihm Jasa mit einem Grinsen und schaut zu mir rüber.

Ich muss lachen.

Der Polizist wirkt nicht belustigt. „Was ist daran so witzig?“

„Na, wir wussten halt nicht, dass sie keine Ahnung haben, was ein Autoradio ist.“ Sagt Jasa.

Ich muss erneut lachen und sehe, wie sich die Polizistin das Lachen unterdrückt.

Die Stimme des Polizisten wird lauter und strenger. „Warum hast du ein Autoradio in deinem Rucksack?“ will er von Jasa wissen.

„Das ist gar nicht mein Rucksack.“

„Das ist meiner.“ sag ich.

„Mir egal, wem von euch Rotzbengeln der gehört! Wo habt ihr dieses Autoradio her?!“ Wütend knallt er seine Faust auf den Tisch.

„Keine Ahnung wo das herkommt.“ antworte ich so gelassen ich kann.

Man hat uns immer gesagt, egal bei was man euch erwischt, redet niemals mit der Polizei. Und genau das versuchen wir hier gerade.

Was soll auch schon passieren?

Wir sind beide noch Minderjährig. Für uns gelten noch andere Gesetze. Plus, sie haben uns beim Rumlungern aufgegabelt und nicht direkt bei einer Straftat erwischt. Wir waren bis dato noch nie auf einem Polizeiposten, aber dumm sind wir nicht.

Grundsätzlich können wir uns nie ausweisen, geben aus Prinzip falsche Namen an und wissen einfach nicht, wer für uns verantwortlich ist.

Im schlimmsten Fall werden wir irgendeiner Behörde an die Hand gegeben. Was solls. Im Heim wohnen wir ja eh schon.

„Ihr habt also keine Ahnung wo das Teil herkommt, ja?“ Er schaut das Radio an und wirft es nach ein paar Sekunden auf den Tisch. „Gut …“ er atmet ein Mal tief durch. „Ich fasse zusammen. Ihr wisst nicht wo ihr wohnt, ihr wisst nicht wo und wer eure Eltern sind, ihr habt Spraydosen und ein Autoradio dabei … Ach, und ihr wisst nicht, wozu ihr auf den Abstellgleisen rumgelungert seid … Ich sage euch was hier Fakt ist. Ihr habt dieses Radio geklaut und auf den Abstellgleisen wolltet ihr die Züge beschmieren!“ er lehnt sich über den Tisch und brüllt uns an. „Habt ihr da noch irgendwas dazu zu sagen?!“

Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass der Polizist mich gerade nicht etwas eingeschüchtert hat. Aber ich weiss, dass er keine Beweise dafür hat und versuche so ruhig wie möglich zu bleiben. Ich sehe, dass Jasa auch erschrocken ist von dem Gebrüll des Polizisten. Aber auch er sagt nichts.

Der Polizist stellt sich wieder gerade hin und reibt sich ein paar mal über die Stirn. „Das bringt hier nichts.“ sagt er zu seiner Kollegin. „Übernimm du die Drecksblagen.“

Er wirft uns einem sehr bösen Blick zu, während er zur Türe läuft und diese öffnet. „Euch behalte ich im Auge. Vergesst das nicht!“ Er knallt die Türe hinter sich zu.

Ein kurzer Moment Stille.

Die Polizistin schaut uns an. „Gut. Da wir nicht wissen, wer für euch verantwortlich ist, werde ich euch mal einem Jugendarbeiter übergeben. Eventuell redet ihr ja mit denen. Kommt mit.“ Sie steht auf, geht zur Türe und winkt uns zu ihr.

Wir gehen ihr nach, aus dem Raum, über den Flur an verschiedenen Zimmern vorbei, zum Eingangsbereich der Polizeistation.

„Setzt euch hier hin und wartet.“ Sie zeigt auf eine Reihe Stühle, die an der Wand aufgestellt sind.

Dem einen Polizisten am Schalter sagt sie, dass er uns im Auge behalten soll und verschwindet in einem Büro.

Der Typ am Schalter schaut uns skeptisch an.

„Was machen wir denn jetzt?“ flüstert mir Jasa zu.

„Weiss nicht.“ antworte ich ebenfalls flüsternd. „Wir sollten abhauen.“

„Aber der Typ beobachtet uns doch die ganze Zeit.“ Meint Jasa.

„Bis der aus dem Schalter vorgekommen ist, sind wir doch schon lange weg. Meinst du nicht? … ausserdem haben die doch eh nichts in der Hand. Denkst du, die würden uns wirklich verfolgen?“

Jasa denkt kurz nach und schüttelt dann den Kopf.

In diesem Moment klingelt ein Telefon, der Polizist auf der anderen Seite des Schalters greift nach einem Hören und nimmt den Anruf entgegen.

„Jetzt!“ ruft Jasa. Ich schau kurz ihn und dann den Polizisten an. Wir springen auf und rennen los. Raus auf die Strasse. Ein lautes „Halt!“ hören wir noch hinter uns doch Jasa rennt schon in Richtung Langstrasse davon. Ich entscheide mich für die Entgegengesetzte.

Ich weiss nicht, ob ich bisher überhaupt schon mal so weit gesprintet bin. Ich rase der Militärstrasse entlang, rüber zur Lagerstrasse, über die Sihl, zwischen den Häusern durch. Am Rennweg meldet sich ein Seitenstechen. Ich bleibe kurz stehen und schau mich um. Sieht so aus, das keiner nachgekommen ist.

Vermutlich hätte ich gar nicht so weit rennen müssen. Ob die Jasa verfolgt haben?

Ach, die sind uns bestimmt nicht mal 10 Meter weit nachgelaufen. Die faulen Säcke! Ich muss darüber lachen. Um Jasa mache ich mir keine Sorgen. Der kommt schon klar. Kommen wir doch alle. Immer. Irgendwie.

Gemütlich spaziere ich wieder zurück zur Bahnhofstrasse. Edona schnuppert diese Woche im PKZ. Die hat bestimmt bald Feierabend.

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Das Leben und Ben

#5 Er hält mir ziemlich denselben Vortrag wie vor ein paar Minuten seine Frau.

„Ben? … Ben? … Ben!“

Ich male mir gerade aus, wie es wohl wäre, wenn man einfach die Zeit stoppen könnte, als ich durch das Angestupse von meiner Lehrerin, rabiat in den Unterricht zurückgeholt werde.

„Ich habe dich was gefragt Ben.“

„Ich habe nicht zugehört.“

„Das haben wir gemerkt.“ sagt Frau Keller und die ganze Klasse lacht.

Naja, nicht die ganze Klasse. Pedro und ich lachen nicht.

Pedro ist mein Freund hier. Mein einziger Freund den ich habe, seit ich bei meiner Pflegefamilie lebe.

Schätze wir halten zusammen, weil wir die Aussenseiter sind.

Irgendwie schwierig Anschluss zu finden. Er ist zwar schon ein paar Wochen länger in dieser Klasse als ich, aber wir sind beide nicht von hier und mitten im Schuljahr dazugestossen.

Und mal unter uns, wir gehören hier nicht hin. So fühlt sich das zumindest an.

„Was ist denn jetzt Ben? Würdest du meine Frage noch beantworten?“

„Was war denn die Frage?“

„Ben.“ Frau Keller, die noch immer neben meinem Pult steht, legt mir ihre Hand auf die Schulter. „Wie willst du etwas lernen, wenn du nie aufpasst?“ Ich höre wie ein paar hinter mir kichern.

„Ich passe ja auf. Aber ich finde es gerade nicht sehr interessant.“

Frau Keller wirkt etwas verärgert. „Es ist nicht immer alles hochinteressant, aber trotzdem muss man immer dazulernen. So ist das Leben nun mal Ben.“

So ist das Leben? Man muss auch die langweilige Scheisse lernen, ob man will oder nicht?

Das Leben. Ich verstehe noch vieles nicht. Mein Leben zum Beispiel, ergibt irgendwie keinen Sinn.

„Wie heisst denn jetzt der Fluss? Das weisst du doch Ben. Auf deinem Schulweg läufst du ja immer über eine Brücke über ihn.“

Ohne sie anzusehen sag ich „Mug“

Die Klasse lacht wieder.

„Nein Ben. Murg. Der Fluss heisst Murg. Und welchem grossen Fluss entspringt sie?“

Ich kenne nur zwei grosse Flüsse mit Namen und rate. „Limmat.“

„Nein, nicht der Limmat.“

„Dann vielleicht dem Rhein?“

„Ben, du sollst nicht raten. Es waren Hausaufgaben, die Flüsse auf dieser Karte zu lernen.“ Sie wedelt mit einem Blatt rum, auf dem ein paar Gewässer der Region eingezeichnet sind. „Du hast wohl deine Hausaufgaben nicht gemacht. Dann wüsstest du nämlich, dass weder der Rhein und erst recht nicht die Limmat hier drauf sind.“ Frau Keller läuft vor zu ihrem Pult und knallt das Blatt auf den Tisch.

„Wie heisst denn jetzt der Fluss?“ will ich wissen.

„Ja, wie heisst den jetzt der Fluss? Kann es jemand, der die Aufgaben macht, Ben sagen?“ fragt Frau Keller die Klasse mit schnippischem Unterton.

„Thur.“ antwortet Kai.

Ich hasse Kai. Aber egal. Ich mag niemanden in dieser Klasse. Alles Idioten.

Ausser Pedro.

Die Schulklingel meldet sich. Endlich. Schule aus.

Ich packe meinen Schulkram in meinen Rucksack und will den anderen nach zur Garderobe.

„Warte kurz.“ hält mich Frau Keller zurück. „Ben. Du musst im Unterricht wirklich besser aufpassen und deine Hausaufgaben machen. Das ist wichtig. Verstehst du das?“

„Nicht wirklich..“

„Was meinst du mit nicht wirklich? Du musst lernen. Wie willst du sonst, wenn du gross bist, mal einen Beruf lernen und arbeiten?“

Wozu muss ein Astronaut wissen, wie der Fluss in diesem Kaff heisst? Denke ich mir.

„Ich muss wohl mit deinen Eltern reden.“

Meine Eltern? Die habe ich seitdem sie mich ins Heim abgeschoben haben nicht mehr gesehen.

„Meinen Eltern ist es egal ob ich was lerne.“

Ich sehr Frau Keller an, dass sie nachdenkt.

„Oh Ben … ich meine nicht deine Eltern-Eltern. Ich meine Herr und Frau Nater. Deine Pflegefamilie. Mit ihnen werde ich reden.“

„Kann ich dann wieder ins Heim zurück?“

„Äh… nein, ich denke, du darfst trotzdem noch bei ihnen bleiben.“ Frau Keller fährt mir durch die Haare und lächelt mich mit weit geöffneten Augen so komisch an.

„Ich darf? Ich darf nicht. Ich muss!“ schrei ich sie an und renne aus dem Klassenzimmer.

Ich ziehe meine Schuhe an, werfe meine Schulfinken in die Garderobe, nehme meinen Fussball von der Bank und renne aus dem Schulhaus.

Vor der Türe sitzt Pedro am Boden.

„Hey, ich dachte schon sie hat dich weggesperrt oder so. Die war ja voll wütend heute.“

„Nein. Hat sie nicht. Die doofe Kuh.“ antworte ich Pedro.

„Sollen wir noch bisschen spielen oder musst du nachhause?“ Pedro zeigt auf meinen Ball.

„Klar. Lass uns spielen! Ich will nicht nachhause. Musst du nicht heim?“

„Nein. Ist eh keiner zuhause ausser meinem Bruder.“

Wir rennen los zum Fussballfeld unserer Schule und spielen bis der Hausabwart uns wegschickt, weil es Zeit wäre, weil es anfängt einzudunkeln.

„Magst du mit zu mir kommen?“ frag ich Pedro. Er nickt und wir trotten los. Über die dämliche Murg, durch die dämlichen Quartiere, über die dämliche Hauptstrasse mit der dämlichen Bahn, bis wir dann bei den gelben, dämlichen Würfelhäusern angekommen sind.

Ich klingle an der verschlossenen Haustüre.

Frau Nater, die ich eigentlich Marianne nennen soll, öffnet die Türe.

„Wo warst du denn schon wieder?!“ schreit sie mich an und fuchtelt mit ihren Armen. „Wir haben doch darüber gesprochen, dass du nach der Schule immer direkt nachhause kommen sollst! Du kannst nicht immer einfach rumlungern! Wir haben uns Sorgen gemacht und dich gesucht!“

Sie haben wirklich mit mir gesprochen, weil ich nie direkt von der Schule heimkomme. Was soll ich sagen.. Ich habe halt wichtigeres zu tun. Und übrigens, richtig gesucht haben die mich nicht. Wir waren auf dem Fussballplatz. Direkt beim Schulhaus. So schwer ist das nicht, mich da zu finden.

„Wen hast du denn da mitgebracht?“ Will Frau Nater wissen.

„Das ist Pedro. Mein Freund. Er geht mit mir zur Schule.“

„Müsste er nicht auch zuhause sein?“ fragt sie mich.

„Nein.“ sag ich.

„Ist er der Grund, warum du nie nachhause kommst?“

„Was? Nein. Pedro hat damit nichts zu tun … dürfen wir was zu essen?“

Ihre Mimik lässt nach wie vor darauf schliessen, dass sie wütend ist. „Nein. Dein Freund geht jetzt nachhause und du, junger Mann, kommst rein!“ Sie zieht mich am Arm ins Haus und schliesst Pedro die Türe vor der Nase zu.

„Was denkst du dir eigentlich immer? … Du machst mich noch wahnsinnig!“

„Ist das Ben?“ ruft Herr Nater, den ich übrigens Jakob nennen soll, aus dem Wohnzimmer.

„Ja! Der Feine Herr ist tatsächlich auch mal noch aufgetaucht!“ ruft sie ihm zu.

Er kommt aus dem Wohnzimmer direkt auf mich zu. Ich seh im an, dass er wütend ist. Er hat denselben Gesichtsausdruck wie Herr Burkhardt, wenn der sauer ist.

Herr Nater bleibt vor mir stehen und gibt mir eine Ohrfeige. „Du weisst wofür du die verdient hast?“

Der schlimmste Schmerz lässt rasch nach, aber das pulsierende Brennen an meiner Linken Wange hält an. Tränen fangen an zu drücken und meine Augen werden feucht.

Er hält mir ziemlich denselben Vortrag wie vor ein paar Minuten seine Frau. „Und jetzt zieh dein Pyjama an und putz dir die Zähne! Heute geht es ohne Abendessen ins Bett!“ befiehlt er mir.

Das mach ich jetzt auch. Ich will ihn nicht noch wütender machen.

Ich bin schnell umgezogen und stehe am Spülbecken im Bad und putze meine Zähne. Die Wange brennt noch immer leicht.

Ich spucke die Zahnpasta aus, putz meinen Mund ab und gehe in mein Zimmer.

Ich ziehe meinen Walkman unter dem Kissen hervor, setze meine Kopfhörer auf, drücke auf Play und leg mich ins Bett.

Während die Drei Fragezeichen in meinen Ohren durch Rocky Beach fahren mit ihren Fahrrädern, muss ich an mein eigentliches Zuhause denken. An die Stadt, ans Heim, an Jasa und Edona, meine Freunde und ich muss wieder weinen.

Ich weiss nicht, ob das ok ist, weil das halt schon seit langem immer mein Ritual ist vor dem Einschlafen. Es muss wohl.

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Das Leben und Ben

#4 „Hier. Nimm deinen 10er. Aber das Ding landet heute noch bei deinem Onkel, ok?“

„Einfach den Schraubenzieher reinstecken, bisschen rumhebeln, entriegeln und dann rausnehmen. Pass aber auf, dass du die Kabel zum Radio nicht abreisst. Denn dann gibts keine Kohle. Und sieh zu, dass du das Teil nicht zu sehr havarierst mit dem Schraubenzieher, ok?“

Eric baut den Radio wieder ein, dreht sich zu mir und streckt mit den Schraubenzieher hin. „Jetzt du.“

Wir sitzen in einem alten Golf, den Eric in seiner Garage stehen hat. Er auf dem Fahrer-, ich auf dem Beifahrersitz.

Eric ist etwas über 40. Locker dreimal so alt wie ich. Ihm gehört diese Werkstatt. Er Verkauft alles Mögliche. Ersatzteile, vorwiegend Occasionen. Wie ein Grossteil seines Angebots in sein Lager kommt ist so eine Sache. Aber mich juckt das nicht. Ich will nur bisschen Geld.

Klar könnte man jetzt sagen, was soll besser daran sein, ein Verbrechen zu begehen um an Geld zu kommen, als sich die Dinge die man haben möchte, direkt zu klauen?

Na, tendenziell ist es nicht immer ganz so einfach mit Ladendiebstahl und ausserdem schliesst das eine ja das andere nicht aus. Im Gegenteil.

Ich fummle also mit dem Schraubenzieher an dem Radio rum. Geht eigentlich voll einfach, wenn du den Dreh mal raus hast.

„Sieh an! Wir haben ein Naturtalent!“ Er lacht und klopft mir auf die Schulter.

„Bei manchen Modellen ist die Entriegelung unten oder oben. Ich zeig dir die mal. Komm.“ Er steigt aus.

Ich tu es ihm gleich und lauf ihm hinterher.

Während er mir andere Radiotypen zeigt, kommt irgend so ein Typ in die Werkstatt. Die scheinen sich zu kennen. Eric lässt mich am Regal stehen, läuft zu ihm vor, begrüsst ihn und sie verschwinden in seinem Büro. Dieser Typ streckt Eric Geld hin. Eric kramt in einem seiner Aktenschränke rum, holt ein kleines Paket raus und legt es auf den Tisch vor ihm.

Er nimmt das Geld, der Typ das Päckchen und beide kommen wieder aus dem Büro.

Der Typ winkt mir kurz zu „Tschüss Junge.“, gibt Eric die Hand und verlässt die Werkstatt wieder.

„Wo sind wir stehengeblieben Ben?“ Eric legt seinen Arm über meine Schultern, zieht mich an sich ran und schüttelt mich leicht.

„Na, du hast mir die verschiedenen Modelle gezeigt.“

„Stimmt. … also, kriegst du das hin?“ will er von mir wissen.

„Klar. Kein Ding. Und was krieg ich dafür?“

„Kassettendeck 10.-, CD 15.- und wenn du sie zu sehr kaputt gemacht hast, einen Pfifferling.“

„Warte mal. Jasa hat gesagt, er kriegt 15.- für die Tapes und einen 20er für CD Player.“

„Der macht das aber auch schon länger. Das sind die Anfängerkonditionen Kleiner.“

„Vergiss es! Ich mach denn Scheiss doch nicht für weniger Geld als er. Das ist ein scheiss Konzept…“

Ich wende mich von ihm ab und will eigentlich raus aus der Werkstatt. „Warte Ben. Ist ok. Ich kauf sie dir ja zum selben Preis ab.“

Ich dreh mich wieder zu ihm. „Geht doch.“

„Du weisst anscheinend wie das läuft, was?“ er lacht. „Hast du bestimmt von deinem Onkel … Apropos Onkel. Kannst du ihm das von mir bringen?“ Er greift nach einer Tabakdose in seinem Regal und hält sie mir hin.

Ja, ich habe mehr als einen Onkel. Aber wenn mir ein zwielichtiger Kerl etwas gibt, dass ich meinem Onkel geben soll, weiss ich genau von welchem er redet. „Ja kann ich machen … was krieg ich dafür?“

„Wie wär es mit einem Freundschaftsdienst Kleiner?“

„Wir sind also Freunde? … dann mach ich dir doch einen Freundschaftspreis. Für einen 10er bring ich es ihm.“ Ich grinse ihn an. Erich findets irgendwie nicht so witzig. „Du bist ganz schön frech.“

„Mag sein. Frech vielleicht. Aber ich bin nicht dumm. Ich weiss wie das läuft. Ich spiele nicht einmal für meinen Onkel den freiwilligen Postboten. Aber wenn du kein Interesse hast, bring es ihm doch selber. Ich hab da kein Problem damit.“

Ich seh Eric an, dass er nachdenkt.

Und schon kramt er Geld aus seiner Hosentasche. „Hier. Nimm deinen 10er. Aber das Ding landet heute noch bei deinem Onkel, ok?“

„Logisch. Ich bin zuverlässiger und schneller als die Post.“ Ich schnapp mir die Note, die Dose und verabschiede mich. „Bis dann Eric.“

„Bis dann Ben. Und richte deinem Onkel einen Gruss von mir aus.“

„Mach ich!“ ruf ich ihm zu, während ich die Türe hinter mir schliesse.

Jasa sitzt draussen neben unseren Fahrrädern auf einer verrosteten Tonne und raucht eine Kippe. „Was hat denn da so lange gedauert.“

„Sorry. Geschäfte. Du wolltest ja nicht mit reinkommen.“

„Ach schon ok.“ Jasa hüpft von der Tonne runter und zieht eine Packung Zigaretten aus der Hosentasche. „Kippe?“ Ich nehme eine raus und steck sie mir an. „Weisst du wie spät es ist Ben?“ „Nö. Vielleicht halb 2 oder so … Warum? Ich muss übrigens zu Onkel Jan. Der hat sonst eine Uhr.“

„Ich hab mir Edona abgemacht, dass wir uns um 3 beim Manor treffen.“

„Wir könnten uns echt mal Uhren zulegen…“

„Hilf mir daran zu denken, wenn wir beim Manor sind.“

Wir schwingen uns auf unsere BMX und fahren los. Ein paar Minuten, einige echauffierte Fussgänger und Autofahrer später, sind wir beim Laden von Onkel Jan angekommen.

Onkel Jan betreibt dieses Bordell und … andere Sachen. Ich komme gerne hier hin. Nicht, dass er 14-jährige einfach so dulden würde in seinem Betrieb, aber Edona, Jasa und ich, dürfen hier rund um die Uhr aufschlagen. Einer der wenigen Orten, an denen wir willkommen, sogar gerne gesehen werden. Onkel Jan freut sich immer uns zu sehen. Wir kennen hier alles und jeden.

Eventuell ist ein Umfeld aus Prostituierten und Biker nicht ideal, aber sonst kümmert sich ja keiner um uns. Gut, einige versuchen es zwar, funktioniert aber halt nicht so richtig.

Die Menschen, die hier arbeiten, interessieren sich wenigstens für uns und sind immer da.

Aber egal jetzt. Ich muss eine Büchse abliefern. Jasa und ich laufen durch den Eingang, direkt an die Bar. „Hallo Petra. Ist Onkel Jan da?“

„Hallo ihr Süssen. Nein der ist gerade nicht hier. Wollt ihr warten? Mögt ihr eine Limo?“

Ich überlege kurz, seh auf der Uhr an der Wand, dass es halb 3 durch ist.

„Nein. Keine Zeit. Danke. Ich hab was für ihn. Ich leg es ihm in sein Büro. Geht das?“

„Sicher. Geh und sag Mike, dass er euch die Türe aufschliessen soll.“

Wir gehen hinter die Theke in ein kleines Zimmer. Dort sitzt Mike, ein bulliger Typ mit Lederkutte an einem Tisch und raucht.

„Hey Mike. Wie gehts? Kannst du mir kurz das Büro öffnen? Ich muss was abgeben.“

„Hey Jungs. Mir gehts gut. Bei euch alles klar?“ Er steht auf, holt einen Schlüsselbund hervor und schliesst die Bürotüre auf.

„Ja bei uns alles gut. Danke.“

Ich gehe ins Büro, nehme die Büchse aus meinem Rucksack, stelle sie auf den Bürotisch und schreibe eine Notiz für meinen Onkel auf einen Zettel.

„Mach hin Ben. Wir müssen los.“

„Wo müsst ihr denn so dringend hin Jungs?“ will Mike wissen.

Jasa klärt ihn auf „Wir müssen um 3 beim Manor sein.“

„Manor also…“ Mike nickt und grinst. „Will ich wissen, was ihr vorhabt?“

Jasa und ich schauen uns an. „Ich denke, wir besorgen uns Uhren.“ sagt Jasa.

„Ihr braucht Uhren?“ will Mike wissen.

„Ja irgendwie schon.“ Antworte ich ihm.

„Moment.“ sagt Mike und geht nach vorne in die Bar.

Kurz darauf kommt er mit einer Geldkassette zurück. Er setzt sich wieder an den Tisch, öffnet die Kassette und nimmt Geld raus. „Hier. Holt euch Uhren damit. Und bringt mir eine Tafel Schokolade mit.“ Er drückt uns beiden je 100.- in die Hand und ergänzt „ich sollt doch nicht immer nur Scheisse bauen.“ Mike tätschelt uns beiden den Kopf „und jetzt haut schon ab. Edona wartet.“

Ich hatte noch nie so viel Geld in der Hand. Zumindest nicht Geld, das mir gehörte. „Danke Mike … aber das ist doch zu viel Geld für eine Uhr … nicht?“ „Na, ihr sollt mir ja auch noch Schokolade holen.“ entgegnet mir Mike. „Ja aber auch mit Schokolade ist das zu viel … oder?“

„Dann kauft ihr Edona halt auch noch was Schönes, Jungs. Sie wird sich bestimmt freuen.“

nachdem Jasa und ich uns gefühlt tausend Mal bedankt haben, packen wir das Geld ein, verabschieden uns von Mike, an der Bar und verlassen das Gebäude.

„Alter, hat us Mike echt gerade einfach so 200.- gegeben?“ fragt Jasa und kriegt sein Grinsen kaum mehr aus dem Gesicht.

„Jap.“ Auch ich freue mich darüber.

Es ist nicht so, dass wir nicht hin und wieder mal was von den Jungs bekommen. Normalerweise sind das aber meistens Getränke, Essen oder wir dürfen ab und an in dem Laden übernachten, wenn wir keine Lust haben im Heim zu sein. Was echt oft vorkommt und immer für Ärger sorgt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Der heutige Tag, wird als der Tag, an dem ich meinen ersten Nebenjob klargemacht und meine erste, eigene Uhr bekomme, in die Analen eingehen.

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Das Leben und Ben

#3 Bestimmt ein böser Zwerg! Wie dieses Rumpelstilzchen oder so!

Beim ersten Mal ist das immer so eine Sache.

Egal welches erste Mal es ist. Ob beim ersten Mal Fahrradfahren ohne Stützräder oder am ersten Schultag. Du bist nervös, aufgeregt, freudig, gespannt oder es wird dir kotzübel.

Ich habe gerade eher die kotzübel Variante.

Mama Ria, unsere Köchin im Heim, hat mir geholfen, meine Sachen zu packen. Das ging voll schnell. Richtig viel besitzt du nicht unbedingt als 6-jähriger, der seit knapp einem halben Jahr im Heim ist.

Wie ich dort gelandet bin?

Das ist eine andere Geschichte..

Ich mag Mama Ria. Ich war oft bei ihr in der Küche und hab geholfen. Wenn ich traurig war, war sie immer da für mich. Sie hat mich aufgemuntert. Manchmal bekam ich einen Keks und ein Glas Milch von ihr. Die besten Kekse und die leckerste Milch der Welt!

Beim Packen konnte aber auch sie mich nicht so wirklich aufmuntern. Ich will nicht aus der Stadt weg. Ich will nicht in eine Pflegefamilie.

Nicht, dass es mir im Heim gefällt. Ich gehöre eher zu den Jüngeren und die Älteren … da hat es echt einige Arschlöcher darunter. Das ewige Geschubst und Geschlagen werden, sind noch die harmlosen Dinge, die so zu meinem Alltag gehören.

Aber das alles kenne ich halt mittlerweile. Ich weiss, in welchen Ecken ich nichts zu suchen habe, ich kenne meinen Schulweg, ich weiss wo ich meinen Fussball finde, wenn er mir weggenommen wurde, weil ich wieder ein „böser Junge“ war. Meine kleine Welt ist zwar irgendwie kacke, aber es ist meine kleine Welt. Da kenne ich mich aus.

Und jetzt soll ich woanders hin. Ich weiss nicht wie es da sein wird. Ich weiss ja nicht mal wo das ist.

Bis zu dem Zeitpunkt, wusste ich nicht einmal, dass es den Kanton Thurgau überhaupt gibt. Geschweige denn diesen Ort.

Für mich existierte nur die Stadt. Das war mein Zuhause.

Und jetzt sitze ich in diesem Auto. Ein Koffer mit meinen Sachen liegt hinten.

Mein Rucksack mit ein paar Spielsachen und Büchern ist neben mir auf dem Rücksitz. Ich streichle den Fussball auf meinem Schoss, lehne den Kopf gegen die Scheibe und beobachte die Leitplanke, die an mir vorbeizieht. Meine Augen sind trocken und brennen. Tränen sind wohl aufgebraucht.

„Wir sind bald da.“, sagt Herr Burkhardt zu mir.

Das ist einer der Betreuer. Er bringt mich zu meinen Pflegeeltern.

Ich mag ihn nicht.

Nicht, weil er mich wegbringt. Ich mochte den noch nie. Hat seine Gründe.

Mittlerweile sind wir von der Autobahn runter und ich sehe die ersten Häuser.

Ich seh das Zeichen einer Bank die ich kenne. Aber es ist nicht blau sondern grün.

Ich kenne Parallelwelten aus einem Comic. Das muss hier eine sein, denke ich mir. Die einzig logische Erklärung.

Da fährt ein rot-weisses Ding, das bisschen aussieht wie ein Zug, aber es fährt auf der Strasse, wie die Trambahn die ich kenne. Aber meine Trambahn ist schmaler und blau-weiss. Also was soll das sein? Eine dicke Trambahn oder ein noch nicht ganz ausgewachsener Zug?

Mein Verdacht erhärtet sich, in einer Parallelwelt gelandet zu sein.

Während ich mir noch Gedanken darüber mache, warum man nichts merkt, wenn man in eine andere Welt reist, fahren wir auch schon auf einen Platz mit einer Reihe Garagen und halten an.

„So, da wären wir.“ meint Herr Burkhardt.

Ein paar gelbe Häuser ohne Dach sehe ich hinter der Wand aus Garagen. Komische Würfelhäuser, denke ich mir.

Herr Burkhardt öffnet mir die Autotüre.

Ich will nicht aussteigen. Aber ich will auch nicht, dass Herr Burkhardt wütend wird. Das will keiner…

Ich nehme meinen Rucksack, meinen Ball und steige aus dem Auto. Herr Burkhardt trägt meinen Koffer. Er geht vor und ich trotte ihm hinterher auf dem Weg zwischen den gelben Würfelhäusern durch. Vor dem einen ganz hinten Links bleiben wir stehen.

„Das ist es. Und bitte benimm dich gefälligst Ben.“ Er klingelt.

Nach einem kurzen Moment öffnet sich die Türe und Frau Nater steht da. „Guten Tag Herr Burkhard. Hallo Ben. Schön, dass ihr da seid. Kommt rein.“ Sie tritt zur Seite und winkt uns ins Haus.

Frau Nater und ihren Mann habe ich schon mal gesehen. Er ist aber nicht da. Er arbeitet noch, erzählt sie. Sie redet noch mehr, aber ich höre nicht wirklich hin.

Da steh ich nun. In einem fremden Haus, bei einer fremden Familie, an einem fremden Ort, in einer fremden Welt. Das muss ich erst mal einordnen. Ich spüre eine Hand an meiner Schulter. Es is Frau Nater. „Komm Ben. Möchtest du dich mit uns an den Tisch setzen oder soll ich dir das Haus und dein Zimmer erst zeigen?“

„Mein Zimmer? Ich würde gerne in mein Zimmer…“

„Na dann. Komm mit.“ Frau Nater läuft vor, eine Wendeltreppe hoch in den oberen Stock, geradeaus auf eine Türe zu und bleibt vor ihr stehen.

„Darf ich vorstellen, dein Zimmer Ben.“

Ich bleib vor dieser braunen Holztüre stehen und starre sie an. Mein Zimmer? Wie Zimmer in dieser Würfelhauswelt wohl aussehen?

„Möchtest du nicht reingehen?“ möchte sie von mir wissen. Sie lächelt. Ich denke, Frau Nater ist eine nette Frau. Bezüglich des Zimmers kann ich ihr bestimmt trauen. Ich öffne die Türe.

Ich weiss nicht genau was ich erwartet habe, aber mit einem normalen Bett, einem normalen Schreibtisch und einem normalen Schrank in einem ganz normalen Zimmer, habe ich jetzt nicht wirklich gerechnet. Habs mir würfelförmiger vorgestellt alles.

Sie unterbricht meine Gedanken „Wenn du möchtest, darfst du gerne deine Sachen auspacken. Soll ich dir dabei helfen?“

„Nein. Geht schon.“

„Gut, dann lass ich dich mal machen. Wenn du mich brauchst, ich gehe kurz nach unten.“ Sie streichelt meinen Kopf und scheint sich irgendwie zu freuen.

Ich habe jetzt nicht wirklich vor, meine Sachen auszupacken. Ich will ja gar nicht hier sein.

Vom Fenster aus sieht man in den Garten. Da ist ein Baum, ein kleiner Teich, eine Schaukel und ein komisches kleines Häuschen aus Ziegeln. Wer da wohl drin wohnt? Bestimmt ein böser Zwerg! Wie dieses Rumpelstilzchen oder so!

Ich habe bisschen schiss vor dem Häuschen. Beziehungsweise vor dem, was da drin wohnt.

„Ben!“ höre ich Herr Burkhardt von unten rufen. „Komm mal runter und verabschiede dich!“

Natürlich renne ich sofort die Treppe runter, wenn er ruft.

„Frau Nater und ich haben soweit alles geklärt. Ich mache mich auf den Weg und du benimmst dich, ja?“ er schaut mich mit seinem strengen Blick an.

„Kann ich nicht wieder mitkommen? Bitte!“

„Du weisst, dass das nicht geht.“ sagt er mit seinem Befehlston. Dann wendet er sich Frau Nater zu und verabschiedet sich von ihr.

Unter der Eingangstüre dreht er sich noch kurz zu mir, hebt seine Hand hoch und läuft nach einem „Machs gut Ben.“ davon. Frau Nater schliesst die Türe.

Ich starre die Türe an und möchte weinen. Aber das geht irgendwie wieder nicht.

„Magst du Eistee?“, holt sie mich wieder mal aus meinen Gedanken.

„Ja.“

„Komm, wir gehen in den Garten und trinken Eistee zusammen. Ok?“, sie streckt mir ihre Hand entgegen.

„Ich … ich möchte nicht in diesen Garten … Da ist dieser böse Zwerg … können wir nicht einfach den Eistee hier drin trinken?“

Sie sieht mich verwirrt an. „Welcher böse Zwerg ist denn da?“

„Na der, der da in dem Ziegelsteinhäuschen…“

Sie kniet sich hin, legt mir eine Hand auf die Schulter und schaut mir in die Augen. „Ziegelsteinhäuschen? … weiss du was? Dann verjagen wir ihn doch einfach zusammen. Von einem Zwerg lassen wir uns doch nicht den Eistee verderben. Gegen uns beide hat der doch keine Chance.“ Sie lächelt.

Ich denke kurz darüber nach, dass wir zu zweit eine Chance hätten.

„Na gut.“ sag ich „aber dann muss ich erst noch was holen.“

Ich renne die Treppe hoch, ins Zimmer und krame meine Steinschleuder aus dem Rucksack.

Auf gehts. „Zwergenjagd!“ ruf ich mir Mut zu und renne die Treppe wieder runter.

Sie schaut mich an, sieht meine Zwille, verschwindet um die Ecke und kommt mit einem Kochlöffel bewaffnet wieder zurück. „Kann losgehen.“

Ich habe keine Ahnung, was sie mit einem Holzkochlöffel gegen einen Zwerg ausrichten will, aber ok. „Los gehts!“

Ich schleiche vor zur Balkontüre, sie dicht hinter mir.

Vorsichtig öffne ich die Türe, renne zu den Gartenmöbeln auf der Terrasse und gehe in Deckung. Sie tut es mir gleich.

„Wo steckt denn jetzt dieser Zwerg?“ flüstert sie mir ins Ohr.

„Na da. In seinem Häuschen.“ flüstere ich zurück und zeige auf den Ziegelsteinbau.

Sie fängt an zu lachen.

„Komm mal mit.“ Sie nimmt mich an der Hand. Und wir laufen zu dem Ziegelhaus. Sie lacht noch immer. „Sieh mal, das ist nicht das Haus von einem Zwerg. Das ist unser Gartengrill. … weisst du was ein Grill ist?“

Was für eine Frage. Ich bin kein Baby mehr. Ich weiss sehr wohl einen Grill von einem Zwergenhaus zu unterscheiden. „Klar weiss ich, was ein Grill ist. Aber das ist kein Grill. Ein Grill sieht anders aus. Ein Grill ist so ein Kasten und da ist so eine Flaschen angeschlossen und dann zündet man das an und grillt seine Wurst drin.“

Sie lächelt mich an. „Was du meinst, ist ein Gasgrill. Aber es gibt noch viele, verschiedene andere Grills. Zum Beispiel einen solchen hier. Ohne Gas. Da macht man ein Feuer aus Holz um zu Grillen.“

„Feuer?“ ich kuck den angeblichen Grill an und denke mir nur, was für eine seltsame Parallelwelt das nur ist.

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#2 «Hey … äääh … siehst du die komische Katze da auch?»

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«Acid?»
Sie nickt. «Acid.»
«Also … du meinst, das ist LSD?»
«Jap.»
«Ich weiss nicht Lea … Ich meine … ich habe noch nie LSD genommen.»
«Komm schon Ben. Bist du ein Schisser? Traust du dich etwa nicht?», fragt Lea, während sie mir mit diesem klitzekleinen Glasfläschchen vor meinem Gesicht rumfuchtelt.

Lea existiert in meiner Welt erst seit ein paar Stunden. Haben uns im Tap Tab, vor einem Konzert kennengelernt. Jemand den ich kenne, kennt jemanden der jemanden kennt, der sie kennt. Wie das halt manchmal so läuft.
Was soll ich gross dazu sagen, sie war mir halt sympathisch. Und ich habe sie mehr oder weniger pausenlos mit allem möglichen aufgezogen.
Unklar ob es an meinem Assi-Charme, dem Alkoholpegel oder an meinem soliden Grasvorrat, den ich mithatte, lag, aber sie wich mir nicht mehr von der Seite. Gutmöglich, dass auch die Mischung aus allem, seinen Teil dazu beigetragen hat.
Weil das Konzert fertig und der Afterparty DJ echt kacke war, wollte ich mich verdrücken.
Und eventuell auch weil ein paar Typen vor Ort irgendwie nicht so bock hatten auf unsere Anwesenheit. Keine Ahnung, was wir wieder angestellt hatten…
Ausgemacht war, dass wir alle bei einem Kumpel übernachten, der in dieser Stadt wohnte.
Da wollte ich dann auch eigentlich hin, aber Lea hielt mich auf.
Sie überredete mich dazu, mit ihr nachhause zu gehen.
Denn sie hätte da einen Balkon und Wein und so…
Warum nicht? Sie ist cool, teilt meine Vorliebe für Blunts und … vor wem rechtfertige ich mich hier eigentlich?

Und jetzt sitzen wir hier auf dem Balkon. Beziehungsweise ich. Sie ist in der Wohnung verschwunden mit den Worten: «Fühl dich frei, bin gleich wieder da.»
Erst mal Einen bauen. Aus der Wohnung höre ich Geklirre, als würde sie gerade mit Kaffeetassen Boccia spielen. Ein dumpfes «Fuck!» ertönt.
«Kann ich dir irgendwie helfen?» Was eigentlich eher eine rhetorische Frage ist. Denn ich hab gerade nicht wirklich Lust aufzustehen und bei irgendwas behilflich zu sein.
«Nein ist schon gut. Ich habs!»
Lea kommt zurück mit einer Flasche Wein, 2 Gläsern und Kerzen. «Damit wir bisschen Licht haben.» Sie zündet die Kerzen an und hält mir die Weinflasche hin. «Kannst du das machen?»
Ich nicke.

Nach dem Anstossen und dem ersten Schluck, fängt Lea an neben ihrem Stuhl in ihrer Tasche zu kramen und kippt fast um.
Ein Schluck von Wein, ein Zug vom Gras, ich schau dem kleinen Tollpatsch zu und bin irgendwie grad voll zufrieden mit meinem Leben.
«Da ist es ja.» Mit einem breiten Grinsen zieht sie ein kleines Glasfläschchen aus der Tasche und stellt es auf den Tisch. «Na, wie wärs? Lust auf einen Ausflug?»
«Einen Ausflug? … was ist denn das da?»
Sie beisst sich leicht auf ihre Unterlippen und sieht mich mit so einem freudig, aufgeregten Blick an. «Das ist Acid.»

«Acid?»
Sie nickt. «Acid.»
«Also … du meinst, das ist LSD?»
«Jap.»
«Ich weiss nicht Lea … Ich meine … ich habe noch nie LSD genommen.»
«Komm schon Ben. Bist du ein Schisser? Traust du dich etwa nicht?», fragt Lea, während sie mir mit diesem klitzekleinen Glasfläschchen vor meinem Gesicht rumfuchtelt.

Mein juveniles Ego, lässt sich nicht unterstellen, dass es sich nicht traut. NIEMALS!
Und schon gar nicht von einem Mädel. «Pff… nicht trauen … ich habe doch nur gesagt, dass ich das noch nie genommen habe. Zeig mal her.» Ich nehme das Fläschchen und schau es mir von näherem an. Als könnte man darin mehr erkennen als einfach nur ein Glasfläschchen mit einer Flüssigkeit darin. «Na gut. Lass es uns durchziehen.» sag ich und drehe den Verschluss ab.
Mal unter uns, ich bin scheisse aufgeregt. Nicht dieses, ich freue mich auf den Urlaub aufgeregt. Dieses scheisse nochmal, der Flieger wird abstürzen! Pinguine … Pinguine … Pinguine aufgeregt.
«Warte mal kurz.» Lea lacht und nimmt mir die Flasche aus der Hand. «Wir trinken das lieber nicht direkt aus der Flasche, du Vogel.»
Sie steht auf und streckt mir ihre Hand hin. «Komm. Lass uns reingehen.»
Ich nehme ihre Hand und ihr hinterher ins Wohnzimmer.
Auf dem Weg schnappt sie sich eine Küchenrolle und zieht mich weiter in Richtung Sofa.
Dort angekommen reisst sie ein Blatt von der Rolle und legt es auf den Tisch.
«Ich hab leider kein Löschpapier» sagt sie, während sie eine kleine Ecke von dem Blatt abreisst und es ein Mal faltet.
«Hör mal… ich bin mir echt nicht so ganz sicher, ob das wirklich eine gute Idee ist Lea.»
Sie dreht sich zu mir, fährt mir mit ihrer Hand langsam über die Brust und fängt an meinen Hals zu küssen. «Ist nichts dabei Babe … du wirst sehen … das … wird der beste … allerbeste … Trip … deines … Lebens.»

Bin ich neugierig?
Ja.
Bin ich gerade ziemlich spitz?
Zur Hölle Ja!

«Los! Komm schon!» Lea dreht sich wieder zum Tisch, öffnet das Fläschchen, gibt 2 Tropfen auf das Küchenpapier und legt sich das Zeug in den Mund.
«Und jetzt du.» Sie wiederholt das Prozedere. «Mund auf.»
Ich gehorche.
«Schmeckt leicht komisch, dieser Papierfetzen im Mund.»
«Schluck es doch einfach runter. Ist ok.» sagt schmiegt sich unter meinen Arm.
Ich lass mich langsam zurück in Richtung Rückenlehne gleiten.

Ein paar Minuten, die wir mir Rummachen verbringen, muss ich abrupt unterbrechen. «Woah … hey warte mal ganz kurz.»
Ich setze mich aufrecht hin und seh mir meine Arme an. «Komisch. Die sind ja noch da.» fällt mir gerade auf. «Aber ich spüre die gar nicht.»
Lea fährt mit ihrer Hand langsam über meinen Arm. «Du spürst sie echt nicht mehr?»
«Nein. Obwohl … eigentlich spüre ich nur meine Unterarme nicht. Den Rest schon. Also auch die Hände … spürt man seine Unterarme normalerweise überhaupt?» Ich spüre, wie meine Atmung immer langsamer und tiefer wird. Ich denke gerade darüber nach, dass wenn die so weitermacht, höre ich an irgendeinem Punkt wohl einfach auf zu atmen. Ich muss lachen.
«Warum lachst du?» will sie wissen.
«Na weil ich irgendwann in den nächsten 5 Minuten aufhöre zu atmen. Einfach so.»
«Das findest du lustig?» fragt sie mich entsetzt.
«Nein eigentlich nicht … warte mal … das kann nicht sein, dass man einen Atemstillstand bekommt von LSD oder? … ich meine … die Hippies haben das ja auch überlebt. Glaube ich.»
Wir schweigen.
Lea setzt sich an die Kante des Sofas, steht langsam auf und geht zu ihrer Stereoanlage. «Weisst du was mir einfällt, wenn ich an Hippies denke?» fragt sie, während sie ein CD einschiebt. Ich schüttle den Kopf. «Nope.» Aus den Boxen erklingt Butterfly von Crazy Town. «Ich mag den Song», sag ich und beginne leise mitzusingen. Lea stellt sich vor mich. «An freie Liebe muss ich dann immer denken.» Sie beugt sich vor, drückt mich zurück in die Couch und setzt sich auf mich.

Ich erspare dir den Teil mit wessen Hände gerade wo, bei wem, wie, was machen.
Es sei denn, du stehst auf den Kram. Sag Bescheid, dann reiche ich den Teil vielleicht noch nach.
Jedenfalls läuft Butterfly im Hintergrund im Loop während wir das gemacht habe, was ich dir hier eben gerade nicht genauer erläutere. Und dann irgendwann…

Lea unterbricht schlagartig die laufende Bewegung «Hey … äääh … siehst du die komische Katze da auch?».
Ich versuche gerade darauf klarzukommen, dass eine jäh eingeleitet Pause entstand. Ich war gerade so verloren im Beobachten der komischen, aber wunderschön glitzernden Schweissperlen auf ihrem Rücken. «Was seh ich auch?»
«Na die komische Katze da an der Balkontüre. Was grinst die denn so behindert?»
«Komische Katze? Da ist keine Kat… oh … meinst du dieses hässliche … was zu Teufel ist das für ein Ding? … Vielleicht sollten wir die Türe schliessen, dass es nicht reinkommt?» Ich spüre dieses Kribbeln ums Zwerchfell rum, als wäre ich gerade auf einer Achterbahn in der Talfahrt. Eine gewisse Angst macht sich breit.
«Gute Idee. Aber ich will ehrlich gesagt nicht in die Nähe von dieser komischen Katze.» auch ihre Stimme klingt etwas ängstlich.
In einem seltsamen Anfall von Möchtegern-Heroik, laufe ich langsam zur dieser Balkontüre um mich diesem Biest und vor allem meinen Ängsten zu stellen.
«Hey … ähm … du … was auch immer du bist … ich tu dir nichts ja … bleib einfach da wo du bist und wir kommen alle heil aus der Sache raus.»
«Jetzt mach doch endlich die Türe zu!» ruft es hinter mir.
Vorsichtig greif ich nach der Tür, nur um sie dann mit einem Knall zuzuschmettern. «Ha! Ausgesperrt!»
«Danke.» «Bitte.» Wir schauen uns einen Moment an.
Oder wohl eher sie starrt mich an und ich sie. «Du hast echt ziemlich grosse Augen.»
«Und du hast echt ziemlich kleine.» entgegnet sie mir.
Das Licht in dem Zimmer sieht aus wie flüssiges Silber. Fiel mir vorher gar nicht auf. Und der eine rote Punkt an ihrer Anlage wird immer grösser, je länger man ihn ansieht. Langsam laufe ich auf ihn zu.
Lea schleicht sich von hinten an mich ran und packt mich. «Hey! Wo willst du denn hin? Hast du etwa das Interesse verloren?»
Sie hat mir gerade den Schreck des Abends verpasst. Ich dachte kurz, dass das ding vom Balkon jetzt doch irgendwie reinkam und mich jetzt attackiert.
Aber alles gut. Es ist Lea, sag ich mir und atme ein paar Mal tief durch. Ich kann den Geruch nicht genau zuordnen, aber sie riecht so verdammt gut.
Ich dreh mich in ihrer Umarmung um und blicke ihr in die Augen, heb sie hoch und trag sie zum Sofa zurück. «Ich? Niemals!»

Draussen wird es langsam immer heller. Sie ist mittlerweile auf dem Sofa eingeschlafen. Bei aller Liebe für den Song, aber ich schalte jetzt die Stereoanlage aus und geh noch eine rauchen, bevor ich mich wieder zu ihr lege. Aber zuerst brauche ich Wasser oder sonst irgendwas zu Trinken. Meine Kehle ist völlig ausgetrocknet und auch die Haut an meinem ganzen Körper fühlt sich beengend an. Flüssigkeit. Schnell! Im Kühlschrank finde ich eine Flasche mit Mineralwasser.
Gefühlt eine halbe Minute später, ist es nur noch eine Flasche.
Ich torkle zurück zum Wohnzimmer, in Richtung Balkon.
Beim Öffnen der Balkontüre schaue ich auf den Boden und muss lachen.
«Böse Katze!» keif ich und greife nach ihrer Tasche, lege sie im Wohnzimmer auf einen Stuhl, gehe wieder raus und geniesse meine Zigarette im Sonnenaufgang.

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Info: Das Leben und Ben

Das Leben und Ben

Ein Projekt, dass ich hiermit starte.
Ich weiss noch nicht wo das ganze hinführen und enden wird.
Es soll eine Geschichtensammlung werden, die als ganzes zu einem Roman verschmelzen kann.

In kleinen Happen werde ich hier Stück für Stück veröffentlichen.
Wenn euch gefällt was ich hier treibe, lasst es mich wissen.
..wenn nicht. Behalt es für dich. Ich geh nur auf konstruktive Kritik ein.

Hier gehts zum Prolog.

Ich würde mich über Inputs und Ideen freuen.

Hier oder über das Formular.

 

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Kapitel 1 – #1 «Wenn ich ehrlich bin, war ich schon immer bisschen in Edona verknallt.»

Hi. Ich bin Ben. 16 Jahre.

Es ist Sommer 1998, ich bin ziemlich angetrunken und versuche gerade meinem besten Freund Jasa zu erklären, dass seine Schwester und ich letzte Nacht gefickt haben.

Zugegeben, es gibt bessere Gegebenheiten, um ihm das zu verklickern, als besoffen im Club.

Sonntagnachmittag im Proberaum, nachdem er die dritte Bong angeheizt hat zum Beispiel.

Denke er wäre dann entspannter.

So «Hey übrigens, ich hatte Sex mit Edona. Macht dir doch nichts aus oder?»

Verdammte Grütze. Warum habe ich das denn überhaupt gemacht?

Ich meine klar, es gehören immer Zwei dazu … aber eben.

Obwohl, ich weiss ja nicht wie er reagieren wird.

Vielleicht fasst er es ja wirklich ganz ruhig und sachlich auf.

Vielleicht.

Ich sehe, wie sich seine Augenlider schliessen, seine Stirn runzelt und seine Kiefermuskulatur anspannt.

Wem mach ich was vor.

Mit der Schelle hätte ich rechnen können.

Er setzt zu einer zweiten an, aber ein Security stellt sich vor ihn.

Irgendwas von wir sollen uns benehmen bla bla.

Jasa beleidigt die Mutter des Türstehers und fühlt sich wohl gerade sehr witzig.

Er schaut am Oberarm des bulligen Kerls vorbei zu mir und grinst sich ein Loch in die Visage.

Ich muss auch lachen und stimme mit ein.

Edona, die das ganze beobachtet, fasst sich an die Stirn und schüttelt den Kopf.

Zugegeben, das stelle ich mir nur vor.

Sie steht hinter mir, nicht in meinem Sichtfeld.

Aber da sie sehr oft wegen irgendwelchen Aktionen von uns den Kopf schüttelt … ganz bestimmt auch jetzt.

Dem Türsteher wird’s zu blöd. Er pfeift einen Kollegen zu sich.

War ja so klar, dass wir Affen wegen unserem Verhalten aus dem Club buxiert werden.

Nachdem wir unser Kontingent an «Jebo te» und «Skurwysyn» aufgebraucht haben, schafft es Edona uns von dem Club weg zu lotsen und keift uns erst mal ein Runde an.

«Was zu Teufel ist denn bloss los mit euch? Wir wollten doch nur ein bisschen feiern und ihr baut wieder nur Scheisse!»

Breitbeinig, mit den Händen in der Hüfte steht sie da und wartet mit wütendem Gesichtsausdruck auf eine Erklärung von uns.

«Du bist an allem Schuld.» ruft Jasa aus und zeigt auf seine Schwester.

«Ich bin schuld?», sie läuft ein paar Meter hin und her bevor sie uns wider anschaut. «Ich?! … Jebem … wer hielt es für eine gute Idee, den Türsteher als Hurensohn zu bezeichnen? Ich wa..»

Jasa fällt ihr ins Wort. «Chill! Darum geht’s doch gar nicht. Du hattest Sex mit ihm!» Ohne mich anzusehen zeigt sein gestreckter Arm inklusive ebenso gestreckter Mittelfinger auf mich. «Kannst du mir das erklären, Sis?»

«Lass sie Jasa. Ich kann dir das erklären.», versuch ich dazwischen zu gehen.

«Du hälst die Klappe!», brüllt er mich an. «Das ist eine Sache zwischen ihr und mir!»

«Ja und?!», schreit Edona ihren Bruder an. «Was solls? Hatten wir eben Sex. Was ist schon dabei? Du hast mir nicht vorzuschreiben was ich darf und was nicht!»

Sie wendet sich ab und läuft in Richtung Escher Wyss davon.

Ich hab keine Ahnung was ich machen, geschweige denn sagen soll.

Jasa und ich schauen uns abwechselnd an und dann wieder ihr nach.

Ich schüttle den Kopf und geh ihr hinterher.

Als ich sie eingeholt habe, lege ich meine Hand auf ihre Schulter und stelle mich vor sie.

«Warte doch mal kurz. Es tut mir leid … der ganze Scheiss war doch nur meinetwegen. Hätte ich es einfach für mich behalten …»

«Halt die Klappe.», fällt sie mir ins Wort. «früher oder später hätten wir es ihm sowieso sagen müssen. Vielleicht war einfach der Zeitpunkt etwas doof … so strategisch gesehen … du Trottel.» sie schaut mich an und grinst.

«Ja … Trottel … dafür bin ich Stadtbekannt», sag ich und lächle zurück.

 

«Wo ist eigentlich Jasa hin?»

Wir schauen uns beide um. Weit und breit kein Jasa zu sehen. Ich schüttle den Kopf. «Kein Plan.»

«Begleitest du mich noch nach Hause?», will sie von mir wissen.

Ich nicke und wir spazieren los.

 

Wortlos schlendern wir zusammen der Limmat entlang.

«Wusstest du …», unterbrich ich das Schweigen. «dass Pinguine verdammt gut sehen können unter Wasser?»

«Pinguine?», sie bleibt stehen und schaut mich an. «wie kommst du denn jetzt auf Pinguine?»

«Weiss nicht … wenn ich nervös bin … denke ich … Pinguine sind halt voll coole Tiere. Nicht?.», stammel ich vor mich hin.

«Ja, Pinguine sind süss. Aber was ich gerade spannender finde … wenn du nervös bist? Warum bis du denn nervös? Der grosse, böse, ich geb einen Fick auf alles Ben ist nervös? … sag.»

Sie stellt sich nahe vor mich hin.

Weil sie einen Kopf kleiner ist als ich, kuckt sie mich von unten mit ihren grossen Augen an und stupst mich mit ihrem Finger in den Bauch. «Jetzt sag schon. Warum bist du denn nervös? Pinguin.» Sie lächelt.

Das ist der Moment, sag ich mir. Küss sie! Jetzt!

Das hast du schon mal hingekriegt, dass geht jetzt auch nochmal!

Kurz muss ich an Jasa denken.

Dann fällt mir wieder ein, dass er mir vor etwas 40 Minuten eine verpasst hat. Und überhaupt, er ist nicht da. Und ich mag sie halt wirklich. Klar, ihn auch .. aber …

«Fuck it!», murmle ich.

«Was?», will Edona wissen.

«Egal.», antworte ich ihr, fahre mit meiner rechten Hand über ihren Hals zu ihrem Nacken, zieh sie noch näher an mich ran und küssen sie.

 

Ja, sorry. Tut mir leid. Gibt jetzt halt auch eine kleine Lovestory hier. Kann ich auch nichts für.

Musst du einfach durch.

Aber hey, ich erspar die Details, ok?

Landen nochmal in der Kiste.

Zufrieden?

 

Fortsetzung

 

 

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Prolog (Das Leben und Ben)

Wie erklär ich dir das jetzt am besten?

Das hier wird eine nicht biografische Biografie …?

Schau mal, es ist so; alles was im Folgenden erzählt wird ist frei erfunden.

Schauplätze, Personen, Gegebenheiten usw. alles aus der Nase gezogen.

..vielleicht.

Überschneidungen mit realen Personen etc. können rein zufällig sein.

..können. 

 Lass es mich so erklären; wenn mich jemand fragt, ob diese Geschichten aus meinem Leben stammen, werde ich ihm die Frage vermutlich nicht beantworten. So einfach.

Wer mich kennt, weiss wohl, was jetzt aus meinem Leben gegriffen ist und was nicht.

In diesen Geschichten dreht sich alles um … ich nenne ihn Ben. 

Ben und das Leben. Das Leben und Ben.

Ich habe echt keine Ahnung, wie ich eine Geschichtensammlung zusammenfassen soll, die ich noch gar nicht geschrieben habe.

Hab ich noch was vergessen?

..ich glaube nicht.

Dann viel Spass beim Lesen.

 Hier gehts zum ersten Kapitel