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Das Leben und Ben

#32 Shorts und Sandalen

«Uff.. warum sind wir nochmal hier?» stelle ich die Frage, ohne meinen Blick vom Zelt abzuwenden.

Jasa, Edona und ich stehen vor einem grossen Pavillon. Tische und Festbänke sind aneinandergereiht. Auf der anderen Seite dieses Festzeltes ist ein Tresen aufgebaut. Es riecht nach Grillfleisch. Das Zelt ist voll mit Leuten. Ihr Gerede und Gelächter wird nur leicht von der lauten Musik übertönt. Vereinzelt wurden ein paar Schweizer Fahnen aufgehängt.

Leicht angewidert schaue ich mir das Volk hier an. Viele alte Säcke mit Kurzarmhemden, Shorts und Sandalen. Als wäre das der Dresscode ihrer Gang. Nicht dass mich das stört. Soll doch jeder anziehen was er will. Ist halt einfach weit entfernt von meinem Geschmack. Sie schunkeln und saufen.

«Uff.. warum sind wir nochmal hier?» stelle ich die Frage, ohne meinen Blick vom Zelt abzuwenden. «Na, wir wollten Mini abholen.» antwortet Edona. Mini ist eine Freundin aus Edonas Klasse. Ich mag Mini. Ich verstehe mich gut mit ihr. Wir haben meistens viel Spass zusammen. Sie ist zwar stumm, aber … vielleicht ist das sogar mit ein Grund warum ich sie mag.

«Ja, ich weiss. Aber hier?» Ich nicke ein Mal kurz mit dem Kopf in Richtung Festzelt. «Ja. Sie hat mir gesagt, dass sie heute an diesem Quartierfest ist … Ich geh sie mal suchen … ihr könnt ja hier warten, wenn euch das hier zu viel ist.» meint Edona, grinst und streckt uns die Zunge raus. «Ja, wir warten hier auf euch.» antworte ich ihr. Jasa nickt und Edona verschwindet in Richtung Zelt.

Er stupst mich an. «Yo, lass was zu trinken holen … dieses Gejaule hält ja keiner aus ohne Alk.» Ich grinse, nicke und wir machen uns auf den Weg zur Bar.

Wir bevorzugen es aussen am Zelt entlang zu gehen. An einem der Tische, an denen wir vorbeigehen, schnappen wir ein paar Gesprächsfetzten auf. Irgendwas von den Scheiss Jugos bei ihm auf dem Bau. Jasa bleibt stehen, streckt einen Arm von sich, mir in den Weg, damit ich auch stehenbleibe.

«Das sind halt einfach faule, dumme Säcke. Zu nichts zu gebrauchen … dieses Pack.» sagt der eine Typ an dem Tisch. «Erst alle diese Italiener und jetzt nehmen wir auch noch all diese Jugos auf. Wo soll das denn hinführen mit diesen Ausländern? Ich komme mir schon bald nicht mehr vor, als wären wir hier noch in der Schweiz.» meint ein anderer. «Ach komm.. die Italiener sind ganz in Ordnung. Die haben wenigsten guten Wein, gutes Essen und heisse Frauen.» Alle an dem Tisch lachen. «Essen haben die wirklich gutes … nicht so wie diese Jugos mit ihren komischen Tschitscha Tschetscha Wurstzeugs. Keine Ahnung, was die da alles reinpacken. Ich bleib bei meiner Bratwurst und dem Cervelat. Prost!» Er hält seinen Bierkrug hoch und stösst mit den anderen an.

Ich sehe Jasa an, dass er wütend ist. Er wirft den Typen an dem Tisch einen bösen Blick zu. Ich lege meinen Arm um ihn. «Komm.. Vergiss die Vollidioten.»

Wir gehen ein paar Meter weiter. «Ich verstehe es einfach nicht. Wie kann man denn nur so ein Arschloch sein? Die haben ja offensichtlich keine Ahnung! … Das macht mich so wütend Ben!» Jasa boxt eine paar Mal vor sich in die Luft. «Nicht nur dich… Irgendwie gibt es die Holzköpfe einfach überall. Dauernd hört man so eine Scheisse irgendwo … aber was tun? Ist ja leider nicht wirklich verboten, schlecht über andere zu reden.» Jasa nickt. In der Zwischenzeit sind wir vorne beim Tresen angekommen. «Habt ihr Whisky Cola?» fragt Jasa. Die Frau hinter der Theke nickt. «Dann gerne 2 Mal einen doppelten, Bitte.» die Frau grinst uns an und fängt an, uns die Drinks zu mischen.

Jasa kramt Geld aus seiner Hosentasche, legt es auf die Theke und nickt der Frau zu. «Stimmt so.» Sie bedankt sich mit einem Lächeln im Gesicht und nimmt das Geld.

Wir gehen wieder zurück. Auf Höhe der Festbank von eben, bleibt Jasa wieder stehen. «Hey.. diese scheiss Ausländer, oder?» Er nimmt einen grossen Schluck, hält seinen Becher über den Kopf des einen Typen und leert ihm den Rest seines Drinks über den Kopf. «Mit freundlichen Grüssen von einem scheiss Jugo!» Der Typ dreht sich um, brüllt irgendwas und versucht Jasa zu packen. Der ist aber zu flink für den alten Sack. Ohne nachzudenken, spritze auch ich ihn mit meinem Drink voll. «Das ist übrigens Cevape du scheiss Fascho!» Der Kopf des Typen wird ganz rot, weil er uns anbrüllt. Ein paar an dem Tisch sehen sich das ganze entsetzt an. Der Rest lacht aber. Der Typ scheint aufstehen zu wollen. «Komm.» Meint Jasa. Wir gehen eilig weiter zu der Stelle, wo wir auf Edona warten wollten. Sie ist noch nicht wieder da.

Ich sehe, wie der Typ von vorhin, mit einem weiteren auf uns zukommt. Ich stupse Jasa an. «Kuck. 2 freilaufende Nazis.» Wir müssen beide lachen. Die Männer sehen uns wütend an und bauen sich vor uns auf. «Ich erwarte eine Entschuldigung von euch Drecksblagen!» Jasa und ich schauen uns an. «Entschuldigung für was?» fragt Jasa ganz ruhig und freundlich. Der eine Typ packt Jasa am Kragen seines Shirts. «Jetzt werd hier mal nicht noch frecher du Saubengel!» Jasas Mimik ist angespannt. Er starrt dem Typen ins Gesicht. «Es wäre besser, wenn sie mich auf der Stelle loslassen..» presst er den Satz aus seinem Mund. Der andere Mann, kippt das Bier aus seinem Glaskrug und umklammert den Henkel sehr fest mit seiner Hand. Wir sehen uns beide an. «Es wäre wirklich besser, wenn sie ihn jetzt loslassen.» sag ich, ohne den Blick von dem Kerl mit dem Krug zu lassen. «Was ist denn hier los?» Edona und Mini kommen von der Seite zu uns angerannt. «Darf ich vorstellen … Nazis … noch mehr Ausländer … Ausländer … Nazis.» Mit einem sarkastischen Unterton stelle ich sie einander vor. Alle schauen sich kurz gegenseitig an. «Was ist denn passiert?» fragt Edona. «Die netten Herren dachten, es sei vollkommen ok, wenn man einfach so rassistische Scheisse labert … wir haben dem einen eine Dusche mit unseren Getränken verpasst … er findet das aber gar nicht witzig.» Ich zeige mit dem Finger auf den Kerl, der Jasa noch immer an seinem Shirt festhält. «Ich verstehe..» meint Edona. «Hören sie, es gibt 2 Optionen. Entweder, sie lassen meinen Bruder jetzt los und wir gehen alle unserer Wege ODER … sie starten eine Schlägerei und können sich dann schon mal überlegen, wie sie es rechtfertigen wollen, dass sie ein paar Minderjährige verprügelt haben … ich habe da nämlich ein paar Wachleute gesehen auf der anderen Seite vom Zelt und wenn sie wüssten, wie schnell ich rennen kann…» Mit den Händen in der Hüfte steht Edona da und hat ihren Kopf leicht zur Seite geneigt. Die Männer wirken etwas überrumpelt von der Ansprache. Jasa unterbricht die kurze Stille, indem er anfängt runterzuzählen. «5.. 4.. 3.. 2.. 1!» Er spuckt dem Typen vor ihm ins Gesicht. Dieser will ausholen zum Schlag. Ich bin schneller und hämmer ihm eine rein. Er lässt Jasa los und fasst sich ins Gesicht. Im Augenwinkel sehe ich, wie der Kerl mit dem Krug näherkommt. Allerdings schafft er es nicht sehr weit, weil Edona ihm einen gekonnten Tritt zwischen die Beine verpasst. Er sackt zusammen. Mini die völlig überfordert zusieht, wird von Edona an der Hand gepackt. «Komm mit! Wir holen Hilfe.» die beiden rennen davon.

Zwischenzeitlich haben ein paar andere in dem Zelt bemerkt, was hier draussen vor sich geht.

Bis auf einen Mann, gaffen aber alle bloss. Er kommt auf uns zu gerannt. Ich denke mir nur, dass das jetzt definitiv zu viel werden wird, aber der Mann scheint sich nicht auch noch auf uns zu stürzen. «Hey! Jungs! Jungs! Hört auf euch zu prügeln!» Er zieht den einen von Jasa weg. «Jakob, beruhige dich. Das sind doch noch Kinder verdammt!» Die Männer lassen ab. Jasa und ich treten ein paar Schritte von ihnen weg. «Seht zu, dass ihr wegkommt, ihr Dreckspack!» schreit uns einer der Typen an.

Jasa und ich trotten langsam weg, in die Richtung, in der Edona und Mini verschwunden sind, da kommen die Beiden auch schon wieder angerannt und bleiben vor uns stehen. «Die waren nicht mehr da. Ich weiss nicht, wo die jetzt sind.» erklärt Edona leicht ausser Atem. «Hat sich eh erledigt.» meint Jasa. Seiner Antwort schwingt ein deprimierter Unterton mit. Edona sieht uns fragend an. «Geht es euch gut? Ist alles ok?» Er schüttelt den Kopf. «Was ist denn nicht ok? Müssen wir ins Krankenhaus?» Edona mustert uns beide von Kopf bis Fuss. «Nein…» sag ich «es ist nicht alles ok, weil Nazis einfach ungestraft frei rumlaufen können.» «Das ist doch einfach alles Scheisse…» ergänzt Jasa.

Von wotsefak

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