Dieses Wochenende ist Stadtfest. Seit Wochen sind wir am Geld zusammenkratzen. Es ist nur alle 3 Jahre und heute ist das erste Mal, an dem wir allein gehen dürfen. Gut, das mit dem dürfen stimmt nicht so ganz. Eigentlich stimmt es gar nicht. Wir haben Jasmine, der Betreuerin gesagt, dass wir zum Schulhausspielplatz gehen. Allein hierher zu gehen, hätten die uns nicht erlaubt. Und mit uns mitgekommen wäre bestimmt auch niemand. Die unternehmen so gut wie nie etwas mit uns. Aber egal. Jetzt sind wir hier.
Das Stadtzentrum ist vollgepackt mit Menschen, ein Stand nach dem anderen und es riecht alle paar Meter nach etwas anderem. Gerade roch es noch nach Bratwürsten und schon duftet es nach Magenbrot. Wir schlängeln uns durch die Menschenmenge mit einem klaren Ziel. Wir wollen zu den Schiessbuden und Fahrgeschäften. Dort angekommen, spazieren wir gemütlich an allen Bahnen und Buden vorbei, um uns einen Überblick zu verschaffen. Auch wenn wir gespart haben, haben wir nicht genug Geld, um jede Bahn zu testen und vielleicht auch noch was Süssen zu kaufen.
«Die ist es!» ruft Jasa und zeigt auf eine Bahn, die schnell über eine hügelige Strecke im Kreis fährt. Er sieht Edona und mich freudig, mit weit aufgerissenen Augen an. «Die ist es!» meint Edona auch und strahlt über das ganze Gesicht. Jasa und ich nehmen Edona an der Hand und gehen eilig, mit ihr zwischen uns, zum Büdchen an der Bahn. «3 Mal bitte.» sagt Jasa zur Dame hinter dem Glas. Er legt ihr das säuberlich abgezählte Kleingeld auf die Ablage und erhält dafür 3 rote Plastikchips.
Wir warten bis die Bahn angehalten hat, alle ausgestiegen sind und setzen uns in den vordersten Wagen. Wir haben alle zusammen Platz auf der Bank. Ein Mann geht alle Wagen ab, sammelt die Chips ein und kontrolliert, ob die Schutzbügel festsitzen.
Langsam fährt die Bahn an. Nach und nach wir die schneller. Es geht hoch und runter und bei jedem Hügel, habe ich dieses komische, aber gute Gefühl im Bauch. Ich mag das. Jasa, der auf der Innenseite sitzt, klammert sich am Bügel fest, um nicht zu sehr nach aussen zu rutschen. Edona hingegen, benutzt mich als Puffer zwischen ihr und der Aussenseite des Wagens. Während der dritten Runde, nimmt sie meine rechte Hand in ihre und klammert sich fest an ihr.
Viel zu schnell ist die Fahrt wieder vorbei. Euphorisiert von der rasanten Berg- und Talfahrt, verlassen wir das Fahrgeschäft. «Das war super! … aber auch irgendwie zu schnell.» meint Edona und kuckt vor sich auf den Boden. «Ist halt nichts für kleine Kinder.» meint Jasa und stupst seine Schwester an. Sie schaut ihn an und gibt ihm einen Box auf seinen Arm. «Hey, ich bin schon 8! Ich bin kein kleines Kind mehr!» «Man, beruhig dich. War doch nur Spass Edona.» Sie gibt einen komischen Zischlaut von sich und dreht sich von ihm ab. Ich stelle mich zischen die beiden und lege ihnen meine Arme um den Hals. «Kommt, ihr zwei Vögel. Lasst uns was Süsses holen.»
Wir schlendern an den Ständen vorbei. Vor einer Schiessbude bleibt Edona stehen und schaut sich die Stofftiere an.
«Gefallen die dir?» will ich von ihr wissen. «Ja … der blaue Elefant.» Ich gehe näher an den Stand. «Entschuldigung. Wieviel muss man denn treffen für den Elefanten da?» frage ich den Mann in der Bude. «20.» antwortet er mir. «Danke.» Ich wende mich ab und gehe zu den andern zurück. «20 Schuss. Wenn wir alle treffen. So viel Geld habe ich aber nicht.» «Ich will ohnehin nicht hier rumballern. Ich will Zuckerwatte! Da vorne ist ein Stand.» entgegnet mir Jasa. «Dann hol Zuckerwatte. Ich kuck mal, ob sich hier was machen lässt.» Jasa nickt und verschwindet zwischen all den anderen Menschen. Ich nehme Edona an der Hand und wir gehen zu der Schiessbude. Eine Münze nach der anderen packe ich auf den Tisch vor dem Stand. «Hast du noch Geld? Meins reicht genau für 8 Schuss.» Ich schaue Edona zu, wie sie in ihrer Hosentasche kramt. Sie legt ein paar Münzen zu meinen dazu. «Das wären jetzt 14 Schuss.» «Dann geht es halt nicht.» meint Edona betrübt. «Warte … Hallo, sie..» ruf ich dem Mann in der Bude entgegen. Langsam kommt er auf uns zu. «Möchtest du dein Glück versuchen Junge?» «Ja, schon. Aber ich habe ein Problem.» «Und das wäre?» Ich habe nur Geld für 14 Schuss und ich brauch doch 20 für den Elefanten.» Ich zeige mit meinem Finger auf den blauen Elefanten, an der Wand auf der Seite hängt. «Können sie eine Ausnahme machen, wenn ich alle 14 treffe? Bitte?» «Das geht nicht.» «Warum denn nicht? Nur dieses eine Mal. Bitte.» Hör zu, wenn ich für dich eine Ausnahme mache, wollen das dann alle anderen auch. Das geht wirklich nicht.» «Ich sag es auch niemandem.» «Ich habe nein gesagt. Fertig jetzt. Entweder du spielst nach den Regeln oder du gehst woanders hin.» sagt der Mann leicht genervt.
Wir wenden uns ab, da kommt auch schon Jasa zurück mit Zuckerwatte. «Hey, ich habe euch auch welche mitgebracht … oh, Mist!» Jasa hat 3 Stäbchen mit Zuckerwatte in der Hand. Leider hat er sie zu nahe aneinandergehalten und beim Versuch sie auseinanderzuziehen, sind es jetzt nur noch eine grosse und 2 ganz kleine Portionen Zuckerwatte. «Na dann müssen wir die jetzt halt so essen.» sagt er und wir müssen lachen.
«Ich muss mal aufs Klo.» meint Edona. Jasa und ich nicken und gehen mit ihr zu den Toilettenwagen.
Während Edona im Wagen verschwindet, stupse ich Jasa mit meinem Ellenbogen an. «Hey, hast du zufällig noch Geld über?» Er nickt. «Wieviel brauchst du denn?» «6» «Wozu brauchst du die denn?» «Na, ich will den Elefanten holen an der Schiessbude.» Jasa holt Geld aus seiner Hosentasche. «Mehr hab ich aber auch nicht mehr.» Ich nehme das Geld von Jasa. «Danke. Das geht perfekt auf … müssen nur noch alle Schüsse sitzen.» «Wehe, wenn nicht.» meint Jasa und grinst.
Edona ist wieder zurück. «Wir haben das Geld zusammen für den Elefanten.» sag ich ihr. Sie strahlt uns an. «Wirklich? Das ist toll!» sagt sie freudig. «Kommt. Wir müssen ein paar Rosen erlegen.» sag ich und wink den beiden zu, mit mir mitzukommen.
Wir spazieren zurück zum Schiessstand. Ich lege das Geld auf den Tisch. «Ich hätte gerne 20 Schuss für den Elefanten.» Der Mann in der Bude schaut mich leicht skeptisch an. «Für den brauchts du aber 25.» «Was? Eben waren es doch noch 20.» entgegne ich ihm etwas verwirrt. «Ich habe nie etwas von 20 gesagt.» «Doch. Das haben sie.» ich werde wütend. «Nein, habe ich nicht und jetzt macht Platz für Leute die Geld haben.» «Sie sind ein wirklich gemeiner Mensch!» keife ich den Mann an. «Ein böser Mensch!» doppelt Edona nach, während Jasa ihm seinen Mittelfinger zeigt.
Wir gehen ein paar Meter von dem Stand weg. «Was für ein Arschloch.» sagt Jasa. «Wir wollten doch nur ein Plüschtier … das war gemein.» meint Edona, während sie nach einem Kieselstein tritt.
«Ich habe eine Idee.» sagt Jasa, rück näher an mich ran und flüstert sie mir ins Ohr. Ich denke kurz über seinen Plan nach. «Ok.. versuchen wir es.» «Was versuchen wir?» fragt Edona. «Das ist nichts für dich Edona. Warte am Bellevue auf uns. Wir kommen gleich nach.» winkt Jasa ab. «Was habt ihr vor?» will sie wissen. «Ein wenig Gerechtigkeit.» sag ich und drücke sie. «Warte am Bellevue auf uns, ja?» Sie sieht uns skeptisch an, dreht sich dann aber um und trottet los.
Jasa und ich gehen zurück zum Schiessstand. Ich lege wieder das Geld auf den Tisch. «20 Schuss, bitte.» Der Mann sieht mich an und nimmt das Geld. «Du hast aber schon verstanden, dass das nicht reicht für den Elefanten?» Ich nicke. Er lädt das Gewehr durch und reicht es mir über den Tresen. Ich lege an und ziele auf die Rosen. Ich atme tief durch. Jasa hüpft auf der anderen Seite hoch, schnappt sich etwas aus der Bude und rennt los. «Halt! Haltet ihn fest! Der Saubengel hat mich bestohlen! Halt!» während der Mann damit beschäftigt ist, Jasa nachzuschreien, lege ich das Gewehr hin, schleiche mich auf der Seite in den Wagen, schnappe mir den Elefanten und renne in die andere Richtung davon. Er brüllt weiter, aber ich verstehe nichts, während ich durch die Menschenmenge renne.
Wenige Minuten später bin ich am Bellevue angekommen. Ich sehe wie Edona auf einer Parkbank sitzt, ihre Beine schaukelt und wartet. Ich gehe auf sie zu, da kommt auch schon Jasa lachend angerannt. «Der war ja mal wütend, was?» Ich nicke und muss auch lachen. Edona kommt uns entgegen. «Hier.» Ich strecke ihr den blauen Elefanten entgegen. Sie sieht uns misstrauisch an. «Habt ihr.. ist der gestohlen?» «Nö.» meint Jasa. «Na.. nicht direkt gestohlen.» antworte ich. Sie schaut uns noch immer skeptisch an. «Wie jetzt? Ist er nun geklaut oder nicht?» Jasa und ich erzählen ihr, was wir gemacht haben. Dass wir ihn zwar gestohlen haben, aber auch, dass wir dem Mann unser komplettes Geld gegeben haben vorher. Edona starrt den Elefanten an. «Dann ist der jetzt für mich?» Wir nicken. «Und ihr habt ihm wirklich das Geld gegeben?» Wir nicken erneut. «Hmm.. ok … irgendwie geschieht ihm das ja recht. Er war wirklich gemein.» Edona zögert kurz, nimmt aber dann den blauen Elefanten, drückt ihn fest an sich und lächelt zufrieden.
Jasa kramt in seiner Hosentasche rum und zieht einen kleinen Ball raus. «Ich hätte da noch diesen Gummiball von vorhin. Will den einer? … ach, vergesst es. Den behalte ich selbst.» sagt er und grinst. «Behalt den ruhig.» sag ich und muss lachen. «Wir sollten langsam mal zurück ins Heim, bevor die uns suchen. Meint ihr nicht auch?» fragt Edona. «Ja, sollten wir wohl.» antwortet Jasa. Wir trotten los. Edona hält ihr Plüschtier in der einen Hand, mit der anderen greift sie nach meiner, lehnt ihren Kopf kurz an meinen Oberarm und sagt «Danke für den Elefanten. Der wird jetzt für immer bei mir sein.»