Die Handknöchel meiner rechten Hand sind geschwollen, schimmern bläulichrot, schmerzen und die von Zeige- und Mittelfinger sind blutverkrustet.
Stechende Schmerzen in meinen Rippen bei jedem Atemzug. Ich zieh mein Shirt hoch und sehe die Hämatome und ein paar Schürfwunden auf meinem Brustkorb.
Ich trotte aus dem Schlafzimmer ins Bad. Mein Kopf schmerzt, mein linkes Auge ist blau und angeschwollen. Sehe ich gerade im Spiegel. „Fuck!“.
Wir waren gestern aus.
Eigentlich war alles gut. War mit Larissa im Club. Haben getanzt, getrunken und Spass gehabt. Bis irgendwann Goran mit ein paar seiner seiner Jungs aufgekreuzt ist.
Allesamt Spassten, die einen auf Gang machen und denken, die Stadt gehört ihnen. Richtig behindert. Wir alle haben „Boyz n the Hood“ gesehen. Aber denen hat der Film ins Gehirn geschissen. Das und die Musikclips auf MTV. Gangsta-Rap aus Übersee.
Klar, höre ich auch. Aber ich vergleiche Zürich nicht mit Haarlem oder Compton. Und vor allem komme ich nicht aus gut situiertem Umfeld und mache einen auf Strassengangster. Sag ja, richtig behindert sind die Vollidioten.
Na, jedenfalls sind die plötzlich da aufgetaucht. Habe sie erst bemerkt, als sie Larissa und mich einkreisten.
„Ben? Alles ok?“ Larissa hat sich ins Bad geschlichen. „Ja … geht schon. Tut mir leid. Habe ich dich geweckt? Wollte ich nicht.“ Larissa schüttelt den Kopf. „Magst du einen Kaffee? … Ich mach uns welchen.“ Ich nicke, lächle sie etwas verkrampft an und gebe ihren einen Kuss auf die Stirn, bevor sie in Richtung Küche verschwindet.
Ich gehe ins Schlafzimmer, zieh mich an und gehe auch in die Küche.
„Hier.“ Larissa hält mir eine Tasse mit frischem Kaffee hin. „Danke.“ Ich setze mich an den Küchentisch, während Larissa am Tresen lehnt. Wir sehen uns schweigend an und trinken unsere Kaffees. Larissa unterbricht die Stille. „Du musst zum Arzt und dann zur Polizei.“ Ich sehe sie fragend an. „Über den Teil mit dem Arzt können wir gerne reden … aber ich geh bestimmt nicht zu den Bullen.“ „Aber du musst die Arschlöcher doch anzeigen! Du wurdest von denen verprügelt! … wenn du es nicht machst, mach ich es.“ Eben war sie noch ruhig und entspannt und jetzt ist sie völlig aufgebracht. „Tu das bitte nicht Larissa … das bringt eh nichts … die kriegen dann vermutlich die Kappe gewaschen und ne Ohrfeige in Form irgendeiner kleineren Strafe oder so und dann, dann sind die noch wütender und hassen mich noch mehr … ausserdem weisst du genau, dass ich nicht mit Bullen rede und jemanden verpfeife.“ Larissa starrt in ihre Tasse und tigert in der Küche hin und her. Abrupt bleibt sie stehen, schaut mich an und ich sehe, wie ihre Augen wässrig werden. „Aber es ist das einzig richtige … Warum machst du immer das Falsche?“ Ich schüttle den Kopf. „Ich mache nicht das Falsche.“ Larissa läuft eine Träne über die Wange. „Doch Ben. Tust du.“ Ich steh auf und möchte sie in den Arm nehmen, aber Larissa stösst mich weg. „Lass mich.“ Sie wischt die Tränen weg, geht aus der Küche, setzt sich aufs Sofa, nimmt ein Kissen, drückt es sich ans Gesicht und schreit hinein.
Langsam nimmt sie das Kissen vom Gesicht weg und hält es fest in den Armen. „Es ist der Job der Polizei, sich um solche Dinge zu kümmern. Nicht?“ Sie schaut mich fragend an. „In dem Teil der Welt wo du herkommst vermutlich schon.“ „Was soll denn das jetzt heissen, der Teil wo ich herkomme?“ fragt Larissa wütend. „Na der Teil, in dem alles nach den Regelbüchern läuft. Dort wo alles sauber, gepflegt und der Rasen exakt 4 Zentimeter hoch zu sein hat … da lebt man. In Sicherheit, ruhig und satt. Putzt jedes Wochenende sein Auto, jeder kümmert sich um sich und wenn in dem Gehege irgendwas mal bisschen randaliert, übergibt man die Problemlösung dem Staat.“ „Dein Ernst? So siehst du das?“ „Ja. In etwa.“ Larissa steht auf, stellt sich vor mir auf hämmert mir 3 Mal auf die Brust. „Du bist so ein Idiot!“ Ich beiss mir auf die Zähne und versuche die Schmerzen zu unterdrücken. Nicht, dass sie sonderlich stark zugeschlagen hat. Aber so Schläge auf einen Bluterguss schmerzen ganz schön.
Larissa schaut mich vorwurfsvoll an. „Liebst du mich?“ Ich nicke. „Wenn du mich liebst, dann geh zur Polizei.“ „Das ist nicht fair.“ „Scheiss auf fair! Wenn du nicht alleine drauf kommst das Richtige zu tun, muss man dich eben zwingen.“ „Und wenn ich es nicht mache?“ Larissa senkt ihren Blick gegen Boden und nimmt einen tiefen Atemzug. „Dann muss ich wohl zurück … in meine Welt … Ich kann das nicht mehr. Ich komme nicht klar mit dieser ganzen Scheisse immer…“
Das ist wohl der Moment, in dem ich ihr sagen sollte, dass sie recht hat, ich ein Trottel bin und wir zusammen die Scheisse abhaken und ein neues Leben anfangen oder sowas … kann ich aber nicht